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Der 47. Grand Prix Eurovision ist der erste, der in einem Land ausgetragen wird, das bis 1990 zum realsozialistischen Block zählte: Estland gewann im Mai 2001 in Kopenhagen mit dem Titel „Everything“ des Duos Tanel Padar & Dave Benton.

Beide Künstler haben im Übrigen ihren Sieg für eine über das Baltikum hinausreichende Karriere nicht nutzen können. Sie zählen damit zu den Grand-Prix-Gewinnern aus der Rubrik Wunder einer Nacht: Anders als Gigliola Cinquetti (1964), Sandie Shaw (1967), Udo Jürgens (1966), Vicky Leandros (1972), Abba (1974), Johnny Logan (1980 und 1986) sowie Céline Dion (1988) waren sie keine Profiteure eines Auftritts vor einer hundertmillionenfachen TV-Kulisse.

In Rocca al Mare, einer Vorstadt Tallinns direkt an der Ostsee, wurde im November vorigen Jahres die Saku Suurhall eröffnet: eine Mehrzweckhalle mit bis zu zehntausend Zuschauerplätzen, deren Name auf die größte Brauerei des Landes verweist.

Die für das Land prestigeträchtige Show verschlingt ein Budget von gut sechs Millionen Euro – was der Summe gleichkommt, die das sonstige estnische nichtprivate TV pro Jahr benötigt. Aber: Die PR-Wirkung („Estland ist super“ oder so) verspricht so mächtig zu werden, dass der kleine Staat das Gros dieser Last seinem Sender abgenommen hat.

24 Länder nehmen am diesjährigen Grand Prix Eurovision teil; aussetzen müssen, weil sie in Kopenhagen so schlecht benotet wurden, Norwegen, Island, Irland, die Niederlande und Polen. Portugal hat verzichtet, weshalb doch Israel zum Zuge kam. Diese Länder haben ihr Comeback für 2003 angekündigt – wie auch das von Milošević genesene Jugoslawien. Interesse bekundet haben für nächstes Jahr Albanien und Weißrussland.

Nachdem 1999 Orchester (und die Dirigenten) abgeschafft wurden, ist die Musik aus der Konserve erlaubt; gesungen werden muss live. Die Sprachwahl ist frei – niemand ist gezwungen, in seiner Landessprache zu singen. 22 der 24 Akteure wollen ihren Song auf Englisch vortragen.

In der Eurovision wird aktuell diskutiert, das Teilnehmerfeld auf 29 Lieder (und Länder) zu erweitern und dafür in Kauf zu nehmen, dass alle Songs auf zweieinhalb Minuten gekürzt werden (bisher: drei Minuten), um den Dreistundenrahmen nicht zu sprengen. Vermieden werden soll so, dass Länder wie Österreich, wo im Frühjahr der Eurovisionsvorentscheid mit einer Sensationsquote (siebzig Prozent) ausgetragen wurde, ihren Grand-Prix-TV-Relaunch (mehr Pop, keine Schlager) wieder bereuen.

Alle Teilnehmer müssen ihre Wertung auf Basis des Televoting durchgeben. Lediglich die Türkei, Russland und Bosnien-Herzegowina können reine Jurywertungen abgeben, weil dort das Telefonnetz noch nicht landesweit funktioniert. Die deutsche Wertung wird live von der Hamburger Reeperbahn durch Axel Bulthaupt nach Tallinn durchgegeben. Die Televotingnummern werden erst während der Show bekannt gegeben.

Vor dem Grand Prix überträgt die ARD aus Hamburg ihre Eurovisionsparty (Motto in etwa: Wir warten aufs Christkind); nach dem Grand Prix geht es weiter von der Reeperbahn aus, mit einigen Interviewschaltungen nach Tallinn. Corinna May wird bislang als Favoritin gehandelt. JAF

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