piwik no script img

Maurice Höfgen Was kostet die Welt?Es gibt ein Recht auf Arbeit. Das ist aber nichts wert, solange der Staat nicht Jobs für alle garantiert. Sollte er also?

Foto: Olaf Krositz

Morgens im Jobcenter. Vor der Tür eine Schlange von Menschen, die Arbeit suchen. Darunter: eine ukrainische Erzieherin, die vor Putins Bomben geflohen ist, und ein Gärtner, dem vor Kurzem gekündigt wurde. Ob ihr Berater ein gutes Jobangebot für sie hat? Eher nicht, befürchten sie. Die Wirtschaft kriselt nämlich.

Was sie nicht wussten: Die Regierung experimentiert mit einer Jobgarantie. Der Berater hatte also nicht nur eine Liste offener Stellen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst, sondern auch mit gemeinnützigen Jobs in der eigenen Gemeinde.

Die Erzieherin gibt ab sofort also 20 Stunden in der Woche Nachhilfe für ukrainische Grundschüler. Neben ihrem eigenen Sprachkurs, den sie macht, und Bewerbungen, die sie an Kitas schreibt. Der Gärtner beteiligt sich an einem vierköpfigen Team, das Urban-Gardening-Projekte in den Schulen umsetzt, für 25 Stunden in der Woche – damit noch Zeit für Bewerbungen bleibt. Beide werden nach Mindestlohn bezahlt und stocken mit Bürgergeld nur noch auf. Besser als arbeitslos, finden beide. Sie haben mehr Einkommen, tragen etwas zur Gemeinschaft bei und entwickeln sich weiter.

Okay, das war Wunsch, nicht Wirklichkeit. Leider. Denn eine Welt ohne Arbeitslosigkeit wäre eine bessere Welt. Arbeitslosigkeit macht schließlich arm, krank und grenzt aus. Ein Job ist mehr als bloßes Einkommen: Kollegen, Alltag, Verantwortung. In Artikel 23 der Menschenrechte steht: „Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit.“

Dieses Recht wird denen verwehrt, die in der Jobcenter-Schlange stehen. Der Staat könnte die Schlange zwar kürzer machen, indem er die Wirtschaft ankurbelt – und darauf hofft, dass private Firmen mehr Leute einstellen. Aber: private Firmen stellen nur ein, logischerweise, wenn es für sie profitabel ist. Das Recht auf Arbeit wäre also nur erfüllt, wenn die Regierung die Konjunktur jederzeit perfekt steuert und Neuanstellungen profitabel sind. Auf Dauer kann das nicht klappen.

Besser wäre also, der Staat würde selbst Jobs anbieten. Zusätzlich zu den fünf Millionen im öffentlichen Dienst, die es schon gibt. Auch Kitas und Pflegeheime könnten mehr Leute gebrauchen, aber dafür braucht es jahrelange Ausbildung. Arbeitslose können in einer Krise nicht einfach Lehrer werden. Und Lehrer sollen nicht nur Mindestlohn verdienen.

Die Lösung: ein flexibles Jobprogramm. Bezahlt vom Arbeitsministerium, organisiert von den Gemeinden, die Arbeitssuchenden einen gemeinnützigen Job vor Ort anbieten. So wie der ukrainischen Erzieherin und dem Gärtner. Denkbar wäre auch Mithilfe beim Roten Kreuz, Werkstätten oder lokalen Sport­events.

Wichtig: Die Jobgarantie ist ein Angebot, keine Pflicht. Anders als CDU und FDP gerade fordern, sollte das Bürgergeld nicht wegfallen, wenn jemand nicht gemeinnütziger Arbeit nachgehen will. Und sie sollten auch kein Abklatsch von Ein-Euro-Jobs oder früheren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen sein. Weil im Mittelpunkt die Gemeinnützigkeit steht und das Recht auf Arbeit zu respektvollen Bedingungen – nicht die schnellstmögliche Vermittlung zu geringstmöglichen Kosten!

Anders als CDU und FDP gerade fordern, müssen Jobs ein Angebot sein und keine Pflicht

Eine Jobgarantie erzeugt Wohlstand, die Teilnehmer bilden sich on-the-job weiter und es wird eine Untergrenze an akzeptablen Jobbedingungen geschaffen. Niemand muss in der Wirtschaft unter schlechteren Bedingungen arbeiten. Win-win-win, oder nicht?

Maurice Höfgen, 28, ist Autor und Ökonom. Hier überlegt er einmal monatlich, wie sich wirtschaftliche Utopien umsetzen ließen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen