piwik no script img

Maulkorb für UmzugsverzögerInnen

■ Fraktionsspitzen von CDU/CSU und SPD machen Druck auf HinterbänklerInnen-Initiative für die Verschiebung des Umzugstermins auf das Jahr 2010/ InitiatorInnen: »Jetzt erst recht!«

Bonn. Mit deutlichem Druck reagierten die Fraktionsführungen von CDU/CSU und SPD auf eine interfraktionelle Initiative von vier Bundestags-Hinterbänklern, den Umzug von Parlement und Regierung nach Berlin auf das Jahr 2010 zu verschieben. Mit der Bitte um Unterstützung hatten Hans-Martin Bury (SPD), Birgit Homburger (FDP), Heinz- Jürgen Kronberg (CDU) und Christina Schenk (Bündnis 90/Grüne) in der vergangenen Woche einen entsprechenden Entwurf für eine Bundestagsentschließung an alle ParlamentarierInnen verschickt. Die Spitzen der beiden großen Fraktionen reagierten prompt und forderten ihre Mitglieder dazu auf, den Antrag nicht zu unterzeichnen und damit Einbringung und Beratung im Plenum des Bundestages zu verhindern.

»Macht jetzt keine Schnellschüsse!«, empfahl SPD-Fraktionsgeschäftsführer Müntefering Genossinnen und Genossen »dringlich«. Er bat sie »herzlich«, gemeinsame Positionen zu suchen und sich nicht vorschnell auseinanderdividieren zu lassen. Das habe schließlich »auch etwas zu tun mit Ansehen von Partei und Fraktion«. Münteferings Marschbefehl: Meinungsbildung erst, wenn die erforderlichen Informationen über den Umzug und seine Kosten vorliegen. Vorher sei es »unsinnig«, so Müntefering in einem Beschluß des SPD-Fraktionsvorstands, von einer Verteuerung des Umzugs zu sprechen und vor Fixierung eines Termins seine Verschiebung zu fordern. »Wenig hilfreich« empfindet auch die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU- Fraktion, Brigitte Baumeister, den Antragsentwurf zum Berlin-Umzug im Jahr 2010 »ohne vorherige Rücksprache in der Fraktion«. Sie bat ihre FraktionskollegInnen in einem Brief darum, den Verschiebungstermin nicht zu unterschreiben, sondern diese Fragen »in offener Aussprache« innerhalb der Fraktion zu diskutieren. »Im Interesse der Geschlossenheit unserer Fraktion sollten wir versuchen, ein einheitliches Bild in der Öffentlichkeit abzugeben«. Die vier InitiatorInnen des Antrags wollen sich davon nicht einschüchtern lassen. Für sie bleibt richtig, was ihr Antragsentwurf als Grund für die Verschiebung des Umzugstermins angibt: »Die angespannte Haushaltslage, die Dimension der politischen Herausforderungen und damit die absehbaren Belastungen lassen einen Umzug wegen der damit verbundenen Kosten derzeit nicht zu.« 2010 sei ein realistischer Umzugstermin, der notwendige Planungs- und Bauzeiten berücksichtige und eine solide Finanzplanung ermögliche, heißt es in dem Entschließungstext weiter. »Jetzt erst recht«, beantwortet nun einer der InitiatorInnen, der 26jährige SPD-Abgeordnete Hans-Martin Bury die Bremsversuche aus den Bundestagschefetagen.

Bury und seine drei MitstreiterInnen wollen mit ihrem Vorstoß vor allem bewirken, daß der Umzug öffentlich diskutiert und nicht in Gremien und Kommissionen verschleppt wird. Seine FDP-Kollegin Birgit Homburger hält das Diskussionsangebot der Fraktionsführungen für »gar nicht so dämlich«, will aber verhindern, daß die Debatte »in den Fraktionen versandet«. Deshalb bleibt es trotz der Pressionen beim Vorhaben, den Antrag in den Bundestag einzubringen. Obwohl die InitiatiorInnen in den vergangenen Tagen »positives Echo von allen Seiten« registrieren konnten, haben sie die erforderlichen 34 Unterschriften von Abgeordneten noch nicht zusammen. Bury hofft auf die Unterstützung mutiger ParlamentarierInnen, die den Antrag trotz Fraktionsdruck unterschreiben und damit zeigen, »daß sie so nicht mit sich umspringen lassen«. Bury berichtet auch von einem CDU/CSU-Abgeordneten, der seine Unterschrift nach der Aufforderung seiner Fraktionsführung wieder zurückziehen will. Nach Meinung von Birgit Homburger ist die harte Reaktion der Fraktionsspitzen Ausdruck von Angst, daß der Antrag Erfolg haben könnte. Christoph Heinzle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen