Mauer im Kopf: Rübermachen unvorstellbar
Umfrage 20 Jahre nach dem Mauerfall will die Hälfte aller Berliner nicht in den ehemals anderen Teil der Stadt ziehen, ergibt eine Umfrage der Degewo.
Die vielbeschworene "Mauer in den Köpfen" ist 20 Jahre nach Ende der Teilung Berlins immer noch da. Das jedenfalls beschwört eine Umfrage, die das Wohnungsbauunternehmen Degewo zum Start einer Imagekampagne veröffentlichte. 50 Prozent der Berliner würden demnach nicht in den ehemals anderen Teil der Stadt ziehen.
"Offenbar wächst die Stadt langsamer zusammen, als zunächst gedacht worden ist", sagte am Montag Degewo-Vorstand Frank Bielka und sprach von einem Zeichen, das er "so nicht erwartet hätte". Den Wandel seit 1989 bewerteten knapp 60 Prozent positiv.
Die Ressentiments gegen ein Leben im Ost- bzw. Westteil sind besonders bei Menschen über 50 Jahren ausgeprägt. Auf Bezirksebene gesehen, sind die Tempelhof-Schöneberger am skeptischsten - 64 Prozent der dort Befragten antworteten auf die Frage nach einem eventuellen Umzug in den Osten mit einem klaren "Nein". In Lichtenberg-Hohenschönhausen sieht es nicht anders aus: Hier können sich 55 Prozent ein Leben im Westen nicht vorstellen. Offenbar fühlen sich aber auch die meisten in ihrem Kiez sehr wohl, und schließen womöglich deshalb einen Umzug sowieso aus. 64 Prozent der Befragten bewerteten die Wohnqualität in ihrer direkten Umgebung als "sehr gut" oder "gut". Selbst in Marzahn-Hellersdorf, das lange Jahre verrufen war, fühlen sich 60 Prozent der Bewohner wohl.
Ergebnisse, die der Degewo in die Hände spielen: Das kommunale Unternehmen hat sich in der Entwicklung schwieriger Kieze etwa im Weddinger Brunnenviertel und in der Gropiusstadt engagiert. In Marzahn hat die Degewo Plattenbauten abgerissen oder umgebaut, wie etwa die Ahrensfelder Terrassen. Für die repräsentative Umfrage befragte das Institut Info GmbH Anfang April mehr als 1.000 Menschen. "Die Mieter gehen wieder gern in ihr Quartier", sagte Bielka. Die Umfrage zeige, dass sich Engagement lohne. Mit einer Werbekampagne im Radio und auf Plakaten macht das Unternehmen seit diesem Montag auf sich aufmerksam - um die "Marke Degewo" zu stärken, wie es heißt.
Dabei stehen die Wohnungsbauer gar nicht so schlecht da: Im abgelaufenen Jahr erwirtschaftete die Degewo einen Gewinn von 14,5 Millionen Euro. Dahinter stecken der Abbau von Schulden - und Mieterhöhungen. Die Durchschnittsmiete liegt bei 4,89 Euro pro Quadratmeter und damit über dem Wert von 4,75 Euro aus dem Mietspiegel 2007. Der Leerstand in den etwa 70.000 verwalteten Wohnungen liegt bei 4,4 Prozent. Der neue Mietspiegel erscheint im Frühsommer. Vorstandsmitglied Christoph Beck machte auch den Abbau von Fördermitteln für die Mietsteigerungen mitverantwortlich. Zugleich sieht er das Unternehmen so gut aufgestellt, dass er Zukäufe prüft und von einer "verhaltenen Wachstumspolitik" sprach.
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