■ Massumeh Ebtekar: selbstbewußt, streng, warmherzig: Für „behutsame Veränderungen“
„Ich könnte das kommende Jahr nur mit Reportern reden und wäre voll ausgelastet“, sagt Massumeh Ebtekar lachend. Über 500 JournalistInnen hätten ein Interview angemeldet. Zwölf Stunden am Tag sitzt die stellvertretende iranische Staatspräsidentin am Schreib- oder Konferenztisch. Solange muß auch der einzige Mann in ihrem Großraumbüro bleiben: Der vollbärtige alte Teekocher serviert im 20-Minuten-Rhythmus heiße Getränke.
Massumeh Ebtekar, 37 Jahre alt, wirkt entspannt. Im Gegensatz zu vielen iranischen Politikern scheint sie keinerlei Berührungsängste zu kennen. Die Mutter zweier Söhne hat nach der Revolution in den USA studiert und dort als Immunologin promoviert. Warum ihr Amerika-Studium in ihrem offiziellen Lebenslauf verschwiegen wird, ist unverständlich. Ebtekar beeindruckt durch ihr geschliffenes Englisch mit leichtem US-Akzent.
Nach ihrer Rückkehr aus den USA arbeitete sie als Journalistin für die Tageszeitung Khayhan International sowie für das Frauenmagazin Farsaneh. Die Autorinnen von Farsaneh stellen den Unterschied zwischen dem Islam und den patriarchalischen Traditionen im Iran heraus und fordern Gesetzesreformen. Dennoch ist Massumeh Ebtekar keine Feministin in westlichem Sinne: Als sie vor zwei Jahren ihr Land bei der Weltfrauenkonferenz in Peking vertrat, verteidigte sie dort – gemeinsam mit dem Vatikan – „religiöse und ethnische Werte“.
„Und zwischendurch“, so Frau Ebtekar, halte sie Vorlesungen an Universitäten und schreibe wissenschaftliche Aufsätze für iranische und europäische Fachzeitschriften. Die persönliche Umweltbeauftragte von Staatspräsident Chatami will „Dinge in Bewegung“ bringen und „Veränderungen behutsam durchsetzen“. Und das keinesfalls nur in Umweltbereich. Die männliche Übermacht im Iran macht der selbstbewußten Politikerin keine Angst. Sie wirkt wie eine US-Topmanagerin, die trotz aller Warmherzigkeit Männer das Fürchten lehren kann. Michael Wrase
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