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Maßgescheitelte Typenlehre

Die Silhouette der Frisur von Rex Gildo, Videotänze im Neonlicht: Bettina Khano beschäftigt sich in der Galerie Koch und Kesslau mit der Wahrnehmung von weißen Räumen, dem guten alten Scherenschnitt und anderen Zuständen

Die Wände des kleinen Ausstellungsraumes sind klassischerweise weiß. Dass aber auch die Treppenstufen, die in die obere Etage der Galerie Koch und Kesslau führen, seit fünf Jahren weiß gestrichen sind, fällt einem zum ersten Mal bewusst auf. Kein Wunder, ist doch die Farbe Weiß Ausgangspunkt der Arbeiten von Bettina Khano, die hier zu sehen sind. Dabei ist eigentlich nicht viel zu sehen.

Weiße Wände dienen gern der Kunstpräsentation: In Museen, Galerien, Sammlungen und privat überm Sofa wird an sie gehängt, vor sie gestellt oder etwas darauf projiziert. Bettina Khano stößt mit ihren Kunstwerken immer wieder auf diese Wände und damit auf die Frage nach einer suggerierten Neutralität oder einer stillschweigenden Akzeptanz von Rezeptionsmechanismen. Die Antworten der gebürtigen Hamburgerin kommen als Mischung zwischen Pop-Art, Konzeptkunst und gutem alten Scherenschnitt daher. So zeigt die Serie „Scheitel“ typisierte Frisuren, die aus fünf Millimeter dickem Gummi herausgeschnitten sind. Das schwarze Material hebt sich vom weißen Hintergrund ab, durch den Kontrast entsteht der Eindruck, als bewegten sich die Scheitel von der Wand weg.

So wie echte Haare fallen, wölbt sich das dicke Gummi wellenförmig, und die eigentlich zweidimensionalen Figuren werden skulptural und wirken lebendig. Eine klassisch anmutende Haarschnitt-Silhouette erinnert an die Frisur von Cher, ein offensichtlich männlicher Schnitt sieht wie die stilisierte Haarpracht von Roy Black aus.

Zur Schwarzweißoptik ihrer „Scheitel“-Reihe fand die 29-jährige Künstlerin, als sie an Bildern von Gesichtern malte, die mittels der Zahlen eins und null unterteilt wurden und sich so in Flächen auflösten. Immer neue Zeichnungen von Gesichtszügen ergaben weitere Auslassungen und Hinzufügungen, bis allein die Haarformen übrig blieben. Wie die wohl vor rotem Hintergrund aussehen würden? Im krassen Gegensatz zu den Gummifrisuren steht die Videoinstallation „Schneeblind“, für die man gemeinerweise in ein kleines Kabuff kriechen muss.

Innen ist es schneeweiß gestrichen und grell mit Neonröhren ausgeleuchtet. Das tut den Augen weh, die so viel Licht keine zwei Minuten ertragen. Die Zeit reicht aber, um sich ein Video anzusehen, das auf der Größe einer Zigarettenschachtel ein seltsames Wesen ohne Kopf und Finger beim Tanzen völlig überlichtet zeigt. Khano selbst steckt in dem Kostüm und schlackert mit den Armen, hampelt mit den Beinen herum, wendet den Oberkörper mal hierhin, mal dorthin. Der hautfarbene Leib ist von merkwürdigen Ausbuchtungen übersät, so als ob ein normaler Körper wie Hefeteig aufgegangen wäre. Körpergrenzen der anderen Art: Das mutantenhafte Wesen zeigt genau das in Hülle und Fülle, was bei den Frisuren wegfiel. ANDREAS HERGETH

Bis 1. 12., Mi.–Sa. 15–20 Uhr, Galerie Koch und Kesslau, Weinbergsweg 3

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