piwik no script img

Massenprotest gegen Rotstift-Bildung

■ Tausende SchülerInnen vor dem Roten Rathaus gegen den Sparkurs auf dem Bildungssektor und die "bundesweit rote Laterne". Ingrid Stahmer (SPD) droht mit Disziplinarmaßnahmen wegen Schwänzens

„Berlin, größte Baustelle Europas“ steht in bunten Lettern auf dem Pappschild eines zehnjährigen Schülers aus Kreuzberg. Gleich daneben wird die Frage gestellt: „Und wer repariert unsere Turnhalle?“ Beantwortet wurde diese Frage gestern nicht. Wohl aber tausendfach wiederholt und variiert. Die Landesschülervertretung, der Landeselternausschuß der städtischen Kitas und die GEW hatten zur Anti-Spar-Demo aufgerufen, und Tausende waren in einem Sternmarsch zum Roten Rathaus gekommen. Während die Polizei von 8.500 Teilnehmern sprach, zählten die Veranstalter 21.000 Demonstranten.

„Der rasante Bildungsabbau hat dazu geführt, daß Berlins Schulen und Kitas nur noch Mittelmaß sind“, brachte der GEW-Vorsitzende Erhard Laube die Stimmung der Demonstranten vor dem – verriegelten – Rathaus auf den Punkt. Jetzt, so Laube, müsse endlich Schluß sein mit der Kürzungspolitik, sonst bekomme Berlin im Bundesvergleich bei der Bildung die rote Laterne und verspiele die Zukunftschancen junger Menschen. Schon jetzt seien Berliner Einrichtungen schlechter ausgestattet als etwa in Hamburg oder Bremen, sagte Laube.

Die Sparpolitik des Senats im Bildungs- und Jugendbereich, die Kürzungen der Platzgelder in Kinderläden, die geplante Gebührenerhöhung in staatlichen Kitas sowie die Abschaffung der Lehrmittelfreiheit in den Schulen war für Schüler, Eltern und Lehrer gleichermaßen Anlaß, wieder einmal in Scharen auf die Straße zu gehen. Allein vom Ernst-Reuter-Platz hatte sich ein Demonstrationszug von 6.000 Schülern, Eltern und Kindern in Bewegung gesetzt. In Friedrichshain, wo es vereinzelt zu Farbeiwürfen auf Polizeibeamte kam, waren es 2.000. Tausende kamen auch aus Kreuzberg und Schöneberg.

Für Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) war freilich weder die Zahl der Demonstranten noch die Warnung Laubes vor der roten Laterne beeindruckend. Sie hatte wie auch das Landesschulamt bereits im Vorfeld der Demo Schülern und Lehrern mit Disziplinarmaßnahmen gedroht. Die GEW konterte, es wäre absurd, wenn auf den Zeugnissen von Schülern, die sich für die Verbesserung der Zukunftschancen einsetzten, ein unentschuldigter Fehltag stehe. Nach Angaben der GEW fiel an vielen Schulen der Unterricht aus. Zahlreiche Lehrer, die für die Aufrechterhaltung des Unterrichts nicht benötigt wurden, hätten sich der Demonstration angeschlossen.

„Ihr spielt Sparschweine, und wir sollen ausmisten“, hatten einige Schülerinnen auf ein Transparent gemalt. Die Drohungen der Senatorin nahmen sie nicht wirklich ernst. Ohne öffentlichen Druck, sagten sie, würde der Sparkurs noch weiter verschärft werden. Stahmer solle lieber diesen Druck verschärfen, als den Schülern zu drohen.

Das fand auch Peter Hartig, der Sprecher der Landesschülervertretung. „Was“, fragte Hartig während der Abschlußkundgebung, „stört den Schulablauf nachhaltiger? Eine Demonstration oder die Kürzungen im Bildungsbereich?“ Während sich die Schülervertreter erfreut über die Teilnahme an der Demo zeigten, waren einige ErzieherInnen dennoch enttäuscht. Trotz des Aufrufs des Landeselternverbandes waren nur wenige ErzieherInnen und Kinder aus den staatlichen Kitas zum Roten Rathaus gekommen. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen