Massengräber von Holocaust-Opfern: Westerwelle will Gräber schützen
Außenminister Westerwelle kündigt an, sich um die zum Teil heute noch unentdeckten Massengräber in Osteuropa kümmern zu wollen. Konkrete Zusagen vermeidet er.
BERLIN taz | Viele hundert Massengräber mit Zehntausenden von Holocaust-Opfern sind auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion noch unentdeckt. Doch die Zeitzeugen, die sich an die Orte des Massenmords erinnern, sterben langsam weg.
Jetzt hat die Bundesregierung ihre Hilfe bei der Sicherung dieser Gräber signalisiert, wenn auch etwas verklausuliert. In einem Brief von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an den Grünen-Abgeordneten Volker Beck erklärt der Vizekanzler mit Blick auf die gefährdeten Gräber: "Deutschland setzt sich international für eine gemeinsame Erinnerungskultur ein - wir oktroyieren eine solche jedoch nicht. Wir müssen den betreffenden Staaten und dortigen Zivilgesellschaften erlauben, selbst eine Kultur der Erinnerung auszubilden. Dabei können Regierungen, Nichregierungsorganisationen und jüdische Gemeinden auf unsere Unterstützung setzen."
Mitte Januar hatten mehrere Organisationen, darunter der Zentralrat der Juden in Deutschland sowie der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge (VDK), gemeinsam öffentliche Hilfe für die Massengräber gefordert. Von den rund sechs Millionen Opfern des Holocaust wurden allein in der Ukraine 1,5 Millionen Menschen ermordet - und oft verscharrt in Massengräbern.
Das Auswärtige Amt spielt bei der erhofften Hilfe für den Erhalt der Gräber eine besondere Rolle, wie Volker Beck und sein Kollege Jerzy Montag in einem Brief an den Außenminister argumentieren, denn: "Auf der Suche nach weiteren Massengräbern sowie deren Umwandlung in würdige Grabstätten und Pflege möchte und kann der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge eine wichtige Rolle einnehmen. Deshalb fordern wir Sie auf, deren Auftrag und Förderung nicht weiter auf die Soldatengräber, darunter auch die der Verantwortlichen für die Shoah, zu beschränken, sondern auch die Opfer mit aufzunehmen und die Organisation dafür finanziell ausreichend auszustatten."
Mit "die Organisation" ist die französische Vereinigung "Yahad - In Unum" gemeint, die sich seit sechs Jahren um die Massengräber kümmert. Sie wurde gegründet von der katholischen Kirche in Frankreich und dem Jüdischen Weltkongress. Mithilfe von Archivstudien und Zeitzeugeninterviews in Osteuropa hat "Yahad - In Unum" über 400 Erschießungsstätten mit mehr als 1.000 Massengräbern gefunden. VDK-Präsident Reinhard Führer hatte im Januar vor allem fehlendes Geld und die Tätigkeitsgrenzen seiner Organisation als Hindernis für ein Engagement des VDK für die Gräber genannt.
Nun sichert Westerwelle in seinem Brief nicht zu, diese Beschränkung der VDK-Arbeit aufzuheben. Er schreibt nur, dass er die Hilfsbereitschaft des VDK "mit Interesse" zur Kenntnis genommen habe. Der Vizekanzler erklärt jedoch, "dass es für Deutschland einen elementaren Bestandteil unserer historischen Verantwortung darstellt, einen Beitrag zu leisten, Aussagen von Zeitzeugen, die die ungeheuren Greueltaten miterlebten, für die Nachwelt zu sichern, solange dies noch möglich ist".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül