: Massen-Streik in Berg-Karabach
■ Prawda berichtet erstmals über dreiwöchigen Generalstreik in der armenischen Enklave
Massen-Streik
in Berg-Karabach
'Prawda‘ berichtet erstmals über dreiwöchigen Generalstreik in der armenischen Enklave
Berlin (dpa/afp/taz) - Ratlosigkeit herrscht in Moskau. Seit drei Wochen demonstrieren täglich Zehntausende Armenier im aserbeidjanischen Stepanakert für den Anschluß ihrer Region Berg-Karabach an die armenische Sowjetrepublik. Bestreikt werden die Mehrzahl der Industriebetriebe, Behörden und der öffentliche Verkehr. Die Lebensmittelversorgung ist weitgehend zusammengebrochen und die Verbindung in die Hauptstadt Aserbeidjans, Baku, gekappt. Nur Milch- und Brotfabriken sowie die Landwirtschaft arbeiten normal. Doch auch in diesen Sektoren ist bereits zu Streiks aufgerufen worden.
Für die Parteiführung in Moskau wiegt noch schwerer, daß „die Parteiorgane des Gebietes die Situation nicht mehr beherrschen“, kommentierte die 'Prawda‘ in ihrer Freitagsausgabe die Ereignisse in der in Aserbeidjan gelegenen armenischen Enklave Berg-Karabach. Weder hätten „die Appelle der aserbeidjanischen KP zur Normalisierung der Lage und zur Wiederaufnahme der Arbeit Gehör gefunden“, noch ähnlich lautende Aufrufe der armenischen Schriftstellerin Sylvie Kaputikian, berichtete das Blatt. Auch agiere das Untergrundkomitee „Krunk“ trotz seiner Auflösung durch den Obersten Sowjet weiter. „Jeden Morgen demonstrieren Tausende mit Spruchbändern im Zentrum Stepanakerts und halten Versammlungen ab. Der Inhalt ist immer derselbe: Ausharren bis zum Schluß.
Wenig anders sehe es in den benachbarten Städten Martuni, Mardakerte und Askerane aus, berichtete der 'Prawda' -Korrespondent weiter. Selbst in der armenischen Hauptstadt Erewan ist es wieder zu Demonstrationen gekommen. Fortsetzung auf Seite 6
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Dagegen forderten 15.000 Menschen in Baku den Verbleib in Berg-Karabach in Aserbeidjan. „Selbstverteidigungsposten“ hätten sich zur Verteidigung „gegen die Aserbeidjaner“ in Berg-Karabach formiert und kontrollierten die Zufahrtswege in die Region.
Derlei „Verteidigungsmaßnahmen würden die Gefahr von „Konfrontationen“ in sich bergen, bemerkte der Korrespondent und wies darauf hin, daß es bereits zu „Übergriffen“ zwischen Armeniern und Aserbeidjanern gekommen sei, ohne jedoch nähere Angaben zu machen. „Die armenische Bevölkerung fordert ultimativ eine dringende Prüfung der Möglichkeiten, diese Region aus Aserbeidjan auszugliedern und an Armenien anzuschließen“. Seit Wochen hatten sich die sowjetischen Medien bei der Berichterstattung über den Konflikt im Süden der Sowjetunion zurückgehalten. Am 1. Juni erfüllte sich eine bei der Streikbewegung im Februar aufgestellte Forderung der Bevölkerung von Berg-Karabach: eine lokale Fernsehstation hat die Arbeit aufgenommen. Zunächst wird es bei dreieinhalb Stunden Programm in armenischer Sprache bleiben, das an drei Tagen in der Woche gesendet wird.
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