: Maschinen des Luxus
■ Installationen von Paul Etienne Lincoln, Andrew Topolski, Allen Ruppersberg und Frans Jacobi in der Galerie von der Tann
Ihre Intelligenz, Schönheit und Verschwendungssucht waren schon zu ihren Lebzeiten Legende. Wie sonst kaum eine historische Persönlichkeit steht Jeanne Antoinette Poisson, Marquise de Pompadour, jene Frau, die als Geliebte des Bourbonen Louis XV. in das Zentrum der Macht gelangte, für die Verflechtung von Luxusbedürfnis, Menschenverachtung und Staatsführung. Dem in London geborenen Künstler Paul Etienne Lincoln diente der Werdegang der Marquise und ihrer Höflinge als Ausgangspunkt eines ebenso intelligenten wie ästhetisch ansprechenden Projekts, dessen künstlerische Dokumentation derzeit in der Galerie von der Tann ausgestellt wird.
Kernstück der Arbeit In Tribute to Madame de Pompadour and the Court of Louis XV ist eine kompliziert konstruierte, kegelförmige Destilliermaschine. Bienen und Schnecken, die in den gläsernen Röhren der Maschine ausgesetzt wurden, symbolisieren die einzelnen Mitglieder des Hofstaates. Madame de Pompadour wird durch einen rechteckigen Kasten repräsentiert, der mittels des in ihm herrschenden Vakuums alles andere an sich zu ziehen vermag. Wegen Transportschwierigkeiten kann diese Apparatur in der Galerie leider nur auf einer Abbildung bestaunt werden. Dennoch gelang es Künstler und Veranstalter, eine Vorstellung zu geben von dem Wahn der Marquise de Pompadour, der auch ein wenig der Wahn des Paul Etienne Lincoln ist. Teils nüchtern wissenschaftlich (wenn er auf einem Faltblatt seine eigene Fassung der Biographien der damals Beteiligten in den großen Topf »Geschichtsschreibung« wirft), teils sinnlich erfahrbar (Schnüffeln an dem aus Hyazinthen, Madame Pompadours bevorzugter Duftnote, selbst destilliertem Parfum erwünscht) entsteht eine Ahnung von Luxus, die angesichts des darum betriebenen Aufwands gleichzeitig dessen Irrsinn offenbart.
Lincolns Arbeit ist Teil einer Zimmer mit Aussicht betitelten Austellungsreihe, mit der die Galerie von der Tann nach 1991 nun zum zweiten Mal jeweils im Frühsommer internationale, meist in New York ansässige Künstler vorstellt.
Außer Lincolns Installationen werden Arbeiten der Amerikaner Allen Ruppersberg und Andrew Topolski sowie des Dänen Frans Jacobi gezeigt. Einen mit Lincolns kritischem Konzept vergleichbaren Ansatz verfolgt Topolski. Neben filigranen Konstruktionen aus Panzerglas und gespanntem Draht hängen Fotos der scheinbar unberührten Landschaft der Antarktis. Der Frieden aber ist trügerisch. Eine falsche Bewegung genügte, um an den technisch und zugleich extrem labil anmutenden Gebilden ein Desaster auszulösen. Parallelen zur globalen ökologischen Situation liegen auf der Hand.
Die Beschaffenheit der urbanen, täglich auf uns niederprasselnden Reizüberflutung und der damit einhergehenden Sinnentleerung durch die Werbung ist Allen Ruppersbergs Thema. Der Pop-Artist der zweiten Generation darf mittlerweile getrost zu den Klassikern einer wahrnehmungskritisch orientierten Kunst gezählt werden. Er bedruckt knallbunte, neonfarbene Werbeplakate mit eigenen, marktschreierisch vorgetragenen Parolen, die durch ihre offenkundige Absurdität Sinn und Unsinn der Maschinerie bloßstellen. Frans Jacobi umschreibt in seiner Arbeit »Hotel« den Fotografien anhaftenden Doppelcharakter als Traumbild und Gedächtnisstütze. Eine Ambivalenz, die Millionen Urlauber und Hobbyfotografen wohl auch dieses Jahr nicht davon abhalten wird, Filme vollzuknipsen anstatt genau hinzusehen. Jacobis Ziel dagegen, wie das der gesamten, im übrigen sehr sorgfältig gemachten Ausstellung, ist es, die »Leere wieder herzustellen« (Jacobi), und dem Gedächtnis mehr zu bieten als nur einen Haufen »Images«. Ulrich Clewing
Galerie von der Tann, Liebensteinstraße 4, Grunewald, bis 14.8., Di-Fr 15-19 Uhr.
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