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Marylin beim Abendmahl

■ Trends beim Zimmerwandschmuck: immer noch Miró, jetzt aber gerahmt

„Können Sie mir einen hübschen Rahmen um mein Bild machen?“ Karin Richter, Inhaberin der Glinder Postergalerie, betrachtet ein postkartengroßes weißes Papier, durch das ein Nagel gesteckt ist. Natürlich kann sie. Unter den vielen Möglichkeiten - vom kitschigen Barock bis zu schriller Lackpopfarbe - wählt sie einen mit Glimmer-einlage im Rahmen aus. Der junge Mann ist begeistert. „Manchmal ist es gar nicht so einfach, den Geschmack der Kunden zu treffen“, sagt Karin Richter und sieht zufrieden auf das kleine Kunst-Objekt, dem sie eben den passenden Rahmen verliehen hat.

Die Geschmäcker haben sich verändert. Kunstliebhaber pinnen sich längst nicht mehr viele kleine Poster mit Stecknadeln an die Wände, sie lassen sich lieber einen geschmackvollen Kunstdruck, farblich passend zu Teppich und Tapete, mit Passepartout in einen hochwertigen Rahmen setzen, den sie sich dann als Gesamtkunstkunstwerk ins Wohnzimmer hängen. Holzrahmen sind im Augenblick gefragt, weiß Petra von Schmude von der Galerie „art & book“ in der Grindelallee. „Die individuelle Einrahmung ist dabei den Kunden immer wichtiger geworden.“

Inhaltlich aber sei auf dem Poster-Sektor in den letzten sieben Jahren nicht viel Neues passiert. Herr Renner von der Galerie Hoheluft, und nicht nur er, vermißt in Sachen Kunstdruck beispielsweise „schöne erotische Malerei, von der es ja genug gibt“. Die in kräftigen Farben und verschwommenen Konturen gemalten Akte von Daniel Gasser finden entsprechenden Absatz; „Die Nachfrage ist vorhanden“, aber das Angebot sei leider knapp.

Das Angebot an Engelchen ist größer. Eine junge Frau hat sich in der Galerie Hoheluft zwischen Humphrey und Marily Duck (Michael Bedard) für die „Duck Angels“ - inspiriert von Raffaels Engelchen der „Sixtinischen Madonna“ - entschieden, zwar in kleinerem Format (30x40-Zentimeter), aber dafür mit 25 Mark bezahlbar.

Die bunten, stilisierten Figürchen eines Keith Haring sind ein Renner, seit der Künstler tot ist. Auch die Abendmahlszene von Renato Caesaro, in der Hollywood-Größen wie Marilyn Monroe, Elvis Presley und Humphrey Bogart um den Tisch versammelt sind, findet im Augenblick reißenden Absatz. Daneben halten sich die Dauerbrenner, allen voran der Klassiker Kandinsky - „der ist sehr dekorativ“, sagt Karin Richter - dicht gefolgt von Joan Miró, Marc Chagall und Franz Marc.

Die Leuchttürme, Seemotive und Küstenansichten des Ole West liegen bei den zeitgenössischen Künstlern - gerade bei Nordlichtern - im Trend, Vanesse Tings bunte Papageien und auch Friedensreich Hundertwassers Bilder laufen gut, „weil sie Optimismus ausstrahlen“.

Angesagt ist inzwischen, Kunst ganz hautnah zu erleben: Die Poster-Shops bieten T-Shirts an, auf die Werke von Miró und Rene Magritte gedruckt sind, die Kleinen - und Großen - können sich durch Puzzle- und Dominospiele den erhabenen Werken nähern.

Kunst als Wandschmuck ist out, angewandte Kunst- im wahrsten Sinne des Wortes - in? Es will eben immer wieder etwas Neues her, oder: Eine Variation ist eine Variation ist eine Variation.

Simone Ohliger

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