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Archiv-Artikel

Martin Tingvall Rockender Schwede in Altona

Wenn man ihn in einem Altonaer Café trifft, oder vielleicht unten am Hamburger Hafen, könnte man meinen, er sei noch vom WM-Party-Sommer übrig geblieben. Leicht kommt dem jungen Schweden ein Lob auf die wunderschöne Hansestadt über die Lippen, oder über das gute Bier hier. Und das alles mit diesem Wikinger-Akzent, der aus seiner rauen Stimme doch noch charmanter klingt als in der Möbelhaus-Werbung.

Ein Tourist aber ist Martin Tingvall keiner. Seit Jahren arbeitet er hier an der Elbe als Musiker: auf Gala-Bühnen mit Top-40-Bands oder auch als Songschreiber mit dem Pop-Projekt „Orange Blue“ im Studio und live in großen Festival-Arenen. Und gerade hat er ein paar Melodien für Udo Lindenberg geschrieben.

Jetzt startet Tingvall mit seinem eigenen Trio durch. Im Frühjahr ist das erste Album „Skagerrak“ beim Hamburger Jazz-Label „Skip Records“ erschienen. Dessen Chef hatte Tingvall einfach eingeladen, sich das „Martin Tingvall Trio“ einmal live anzuhören. „Wir spielten im ‚Buccaneer Country Club‘ unten am Hafen und die Leute gingen richtig ab“, erzählt er. „Eben nicht das normale Jazzpublikum.“

Es war wohl nicht nur die Fangemeinde, die den Labelchef überzeugte, sondern die unerhörte Energie, mit der Tingvall seine Melodien vor sich her treibt, bis die Leistungsgrenzen des Flügels erreicht zu sein scheinen. „Eigentlich komme ich ja vom Rock“, erklärt der Pianist diese Wirkung. „Meine erste Band, das war so ‚AC/DC‘-Zeug, ‚Whitesnake‘, da habe ich Orgel gespielt.“ Ein Freund gab ihm dann eine Platte von McCoy Tyner zu hören – der entscheidende Punkt: „Das ist ja unfassbar: pure Energie, jeder Ton. Dadurch bin ich auf John Coltrane gekommen – und von da an gab es keinen Weg zurück.“

„Skagerrak“ hat Tingvall sein Debüt benannt, nach der Meerenge, in der Nord- und Ostsee aufeinander stoßen. So wie in seiner Musik Jazz und Rock-Energie ineinander fließen. Mit ähnlichen Konzepten feiern auch Trios wie „E.S.T.“ oder „The Bad Plus“ gerade internationale Erfolge. Die mitreißende Ohrwurm-Qualität von Tingvalls Melodien erreichen sie dabei nur selten. TOBIAS RICHTSTEIG