Martin Sonneborn über Macht: „2017 wird ein reiner Sex-Wahlkampf“
Der Chef der „Partei“ über die Käuflichkeit von SPD-Politikern, eine Strafe der Bundestagsverwaltung und die Gefahr einer Pleite.
taz: Herr Sonneborn, die SPD hat ihre Leute gegen Geld angeboten. Wie finden Sie das?
Martin Sonneborn: Das ist ein sehr interessantes Modell, das wir für uns natürlich auch in Erwägung ziehen. Aber die Sozis sind billiger, als ich dachte.
Was würden Sie kosten?
Doppelt so viel wie Heiko Maas, das wäre wohl angemessen. Unter 10.000 Euro würde ich nicht gehen. Der Satiriker Hans Zippert hat geschrieben, dass Leute viel Geld bezahlen würden, um sich nicht mit Sigmar Gabriel treffen zu müssen. Das Ganze zeigt aber natürlich auch, dass die Sozialdemokraten als eine Partei, die sich selbst verkauft, praktisch nicht mehr wählbar sind.
Die PARTEI wäre noch wählbar?
Ja, unsere Aktionen haben einen anderen Zweck: Uns geht es darum, Dinge öffentlich zu machen. So wie bei unserer Geldverkaufsaktion.
Wegen dieser Aktion sollen Sie jetzt 72.000 Euro an die Bundestagsverwaltung zurück zahlen, plus 383.000 Euro Strafe. Was war da los?
Der Staat schüttet im Jahr rund 160 Millionen Euro an die Parteien aus, die Ansprüche darauf sind gedeckelt durch die Einnahmen, die jede Partei hat. Die irren Gesetze haben aber die Ausgaben nicht berücksichtigt. Die AfD kam also 2014 auf die gar nicht dumme Idee, Gold an ihr Klientel zu verkaufen, um ihre Einnahmen zu erhöhen. Daraufhin annoncierten wir: „Kauf kein Scheiß (Gold bei der AfD), kauf Geld (bei uns)!“. Zum Preis von 105 Euro boten wir einen 100-Euro-Schein plus zwei Postkarten an. Die Leute haben gekauft wie verrückt, wir haben rund 200.000 Euro Umsatz gemacht und dafür 72.000 Euro vom Staat bekommen. Jetzt will die Bundestagsverwaltung das Geld zurück.
Der Publizist und Politiker war von 2000 bis 2005 Chefredakteur der Titanic. Das Satireblatt hatte Bestechungsfaxe und Geschenke an Fifa-Funktionäre verschickt. Die Bild rief zu Protesten auf. Derzeit ist Martin Sonneborn einziger Abgeordneter der Partei PARTEI im Europaparlament.
Muss die AfD auch zahlen?
Nein, der Rechenschaftsbericht der AfD wurde vom Bundestag erstaunlicherweise nicht beanstandet. Und weil die Verwaltung uns gerade eine Zahlung von 17.000 Euro verweigert hat, haben wir Eilrechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht hat dem soeben stattgegeben. Das ist zwar noch kein Sieg im Gesamtverfahren, aber schon ein kleiner Hinweis darauf, dass die Argumentation der Bundestagsverwaltung nicht ganz unstrittig ist. Die Juristen sagen uns, dass wir in drei bis sechs Monaten mit einem Urteil rechnen können.
Was würde passieren, wenn Sie wirklich zahlen müssten?
Die PARTEI wäre sofort pleite. Wir würden auf jüdische Vermächtnisse hoffen oder auf einen Schwarzgeldkoffer von Wolfgang Schäuble. Oder wir müssten unser Spitzenpersonal für Abendveranstaltungen zu Dumping-Preisen anbieten.
Erst haben Sie sich an der AfD orientiert, jetzt würden Sie die SPD kopieren?
Viele Leute sehen uns als Parodie innerhalb des politischen Systems, ich selbst würde in der Öffentlichkeit niemals von einer Satirepartei sprechen. Wenn man mit satirischen Mitteln arbeitet, dann setzt man sich mit dem auseinander, was einem nicht gefällt. Satire hat immer ein Ziel, zielt immer auf die Abstellung eines Mangels. In diesem Fall auf die Abstellung von AfD und SPD. Ich betone es immer wieder: Unser Machtanspruch ist authentisch. Die Leute dürfen gern über uns lachen, bis wir die Macht übernommen haben.
Das ist das Ziel für 2017?
Selbstverständlich.
Gibt es schon eine Strategie für den Wahlkampf?
Der wird laufen wie immer, erklärtermaßen populistisch, schmierig und aggressiv. Für 2017 planen wir etwas Neues, einen reinen Sex-Wahlkampf, der an Primitivität und Plakativität nicht zu überbieten ist. Und da wir gehört haben, dass auch die AfD antreten wird, haben wir einen Türken als Kanzlerkandidaten aufgestellt.
Wen denn?
Serdar Somuncu. Bisher ist er lediglich designierter Kanzlerkandidat. Ähnlich wie die SPD werden wir erst zu gegebener Zeit damit an die Öffentlichkeit gehen. Spätestens am Tag nach der Wahl.
Ist Somuncu denn Parteimitglied?
Ich gehe davon aus. Wir haben uns kürzlich getroffen, er ist ein kluger Mann, und ich glaube, damit sind wir eine klare Alternative zu Merkel und zur AfD.
Was würde Somuncu kosten, so für eine Abendveranstaltung?
Oh, der ist teuer. Zu teuer für die taz …
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Jeder fünfte Schüler psychisch belastet
Wo bleibt der Krisengipfel?