Martin Krauß Über Ball und die Welt: Das Herzerl, das Israels Fußball wachküssen soll
Andreas Herzog, in der Bundesliga noch aus Bremer Tagen bekannt, wurde erstmals in seinem Leben auf einen Cheftcoachposten berufen: als israelischer Nationaltrainer. Ein 49-jähriger Neuling als Auswahltrainer, das ist nichtder einzige Grund, warum Herzog in Israel eher reserviert aufgenommen wird. Fans erinnern sich auch noch daran, dass er 2001 in der WM-Qualifikation in der Nachspielzeit den 1:1-Ausgleich für Österreich erzielt hat, mit der Folge, dass Israel mal wieder nicht zur WM durfte. Erinnert wird auch noch daran, dass Herzog vor dem Spiel gesagt haben soll, es mögen doch viele Palästinenser ins Stadion kommen und Österreich unterstützen. Herzog bestreitet das. „Fakt ist: Ich habe das damals nicht gesagt“, teilt Herzog heute mit. „Im Gegenteil: Ich war Kapitän und habe gespielt, im Gegensatz zu neun Kollegen von mir, die nicht mitgereist waren.“
Nun ist er also da, ein Österreicher in Tel Aviv. „Ohne zu sehr auf Politisches einzugehen, trägt Sport immer zum Zusammenhalt bei“, hat er bei der Vorstellung zu Fragen israelischer Journalisten gesagt. „Was jetzt zählt, ist dass wir alle, die Spieler, die Fans und die Öffentlichkeit, die Sache gemeinsam angehen nach der nicht guten WM-Qualifikation. Dann bin ich auch zuversichtlich wegen der Stimmung.“ Herzog redet in Tel Aviv, als wolle er österreichischer Bundeskanzler werden.
Seine ersten Amtshandlungen zeitigten noch nicht den sicher erwünschten Erfolg. Am 7. September musste er sich beim 0:1 gegen Albanien in der Uefa-Nations-League erstmals für eine Niederlage rechtfertigen, vier Tage später setzte es dann ein 0:3 im Freundschaftsspiel gegen Nordirland. Im Oktober geht es dann in der Nations League gegen Schottland weiter.
In seinem Kader hat er zwei Israelis, die in Österreich spielen berücksichtigt, dazu überwiegend Profis aus der israelischen Liga. „Als Teamchef eines Landes bist du der größte Fan von jungen Spielern, auf diese werde ich setzen.“ Doch nicht einmal Herzog glaubt an den schnellen Erfolg. „Ich kann nichts versprechen, ich kann nur versprechen, hart zu arbeiten. Ich habe zehn Jahre in Deutschland gespielt, und es gibt einen Grund, warum die Deutschen so erfolgreich sind.“
Israel ist keine Fußballgroßmacht. Niemals wurde ähnliches behauptet. Aber der Fußball hat viel für die europäisch-westliche Integration des kleinen Mittelmeerlands geleistet. Boykottiert und bedroht von den Nachbarländern, die allesamt im asiatischen Verband kicken, musste Israel in die europäische Uefa, und zumindest die Vereine spielen mit nicht geringem Erfolg in Champions und Europa League. In diesem europäischen Ensemble hat Israel aber die Funktion eines Zweit- oder Drittligisten, der weit entfernt von der Premier League, der Bundesliga, der Primera Division, der Ligue 1 oder der Serie A ist. Israel ist der SV Sandhausen unter den Teams, die um die EM-Qualifikation spielen.
Willi Ruttensteiner, 18 Jahre lang Sportdirektor des Österreichischen Fußballverbands und seit Juli technischer Direktor beim israelischen Verband, lobt seinen Kumpel Andi Herzog. Dieser sei „reif für den nächsten Schritt, der muss einmal gemacht werden – so wie ihn auch ein Pep Guardiola oder Julian Nagelsmann getan haben“.
Israels Fußballverband wollte keinen alten Trainer mit Erfahrung und länger zurückliegenden Meriten, er wollte auch keinen heimischen Coach, der nur das repräsentiert, was man schon ist, und ein Trainer, von dem man sich ganz viel versprechen kann, kommt einfach nicht zum 93. der Fifa-Weltrangliste. Wer kommt, ist einer wie Herzog, von dem man hofft, dass er einer wie Guardiola wird.
Und dann entfaltet dieses wachgeküsste Fußballherzerl auch eine politische Integrationskraft, die mit nichts etwas zu tun hat, was vorher war.
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