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Martha Gellhorns ReportagenAlte und neue Kriege

Martha Gellhorn berichtete 50 Jahre lang von nahezu jedem Schlachtfeld dieser Erde. Jedes mal kam sie heil davon – und wurde nie gleichgültig.

Martha Gellhorn 1940 mit ihrem Mann Ernest Hemingway. Bild: dpa

Vielleicht ist eine gewisse Portion Naivität nötig, um an das Gute und den Fortschritt zu glauben und den Journalismus für ein machtvolles Mittel im Kampf gegen die Schrecken der Welt zu halten.

Jedenfalls beschreibt Martha Gellhorn in ihrem neu aufgelegten Buch mit Kriegsreportagen, „Das Gesicht des Krieges“, aus den Jahren 1937 bis 1987, wie sie am Anfang ihrer Karriere fest davon überzeugt war, mit ihrer Berichterstattung unmittelbar dazu beizutragen, dass die Übeltäter ihrer gerechten Strafe zugeführt werden würden, und wie sie sich die Öffentlichkeit als „einen Tornado“ vorstellte, „allzeit bereit, auf der Seite der Engel loszustürmen“.

Eine große Wirtschaftskrise und einige Kriege in den Dreißigern später war von ihrem „Glauben an die segensreiche Macht der Presse“ nichts mehr übrig. Martha Gellhorn machte trotzdem weiter, reiste von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz und sang im Zweiten Weltkrieg „Loblieder auf die guten, tapferen und großzügigen Menschen, wohl wissend, dass dies ein völlig zweckloses Unterfangen war“.

Gellhorn war in Spanien, als General Franco putschte, in Finnland, als Russland das Land überfiel, in China, als die Japaner Bomben abwarfen, sie beobachtete in ganz Europa den Krieg gegen die Nazis, war auf Java, in Vietnam, in Zentralamerika und in Palästina während des Sechstagekriegs. Und das sind noch nicht alle Kriegsschauplätze gewesen, von denen sie berichtete, das sind nur die, über die sie in ihren in dem vorliegenden Buch zusammengetragenen Reportagen schreibt.

Weil sie erfahren musste, dass kein Hahn nach ihren Arbeiten als Kriegsberichterstatterin krähte, die immerhin in Vogue, im New Yorker und in Harper’s Bazaar erschienen, versuchte sie, ihre Tätigkeit auf eine Weise zu sehen, die ihr die Sache einigermaßen erträglich machte: „Ich war eine Kriegsgewinnlerin besonderer Art, denn ich kam immer mit heiler Haut davon und wurde dafür bezahlt, meine Zeit mit großartigen Menschen zu verbringen.“ Und vielleicht ist das ja auch das wirklich entscheidende Motiv, um die Schrecken und die Depressionen einigermaßen zu überstehen, die jeder Krieg hervorbringt.

Eine endemische Krankheit

Martha Gellhorn ist gegenüber den Kriegsereignissen nie gleichgültig geworden, nie abgestumpft in dem Sinne, den man manchmal an sich selbst beobachten kann, wenn wieder irgendwo ein neuer Kriegsherd mit undurchsichtigen Gründen und religiösen Motiven ausgebrochen ist.

Nachdem sie ein Leben lang Kriege beobachtet hatte, kam sie zu dem Schluss, sie „für eine endemische menschliche Krankheit und die Regierungen für die Überträger“ zu halten. Martha Gellhorn erkannte trotz dieses fast schon anthropologischen Ansatzes, dass es immer einen Aggressor gibt, eine „ehrgeizige“ und „habgierige Regierung“, die rücksichtslose Expansionspolitik betreibt.

Diese Sichtweise ist heute obsolet, denn der Krieg hat sein Gesicht verändert, reguläre Kriege zwischen souveränen Staaten gibt es kaum noch, vielmehr sorgt die „Diffusion der Gewalt“, die Herfried Münkler in „Die neuen Kriege“ (2002) beschrieben hat, dafür, dass die Grenzen zwischen Kombattanten und Nonkombattanten verschwinden, dass in diesen Kriegen keine „Ziele und Zwecke“ mehr auszumachen sind, „um derentwillen Krieg geführt“ wird, ja dass sogar Anfang und Ende des Krieges „konturlos“ werden.

Diese asymmetrischen Kriege sind nicht mehr zu bewältigen und zu überwinden durch das Eingreifen der westlichen Zivilisation, die sich ihr Scheitern bei den meisten Konflikten auf der Welt eingestehen musste, nicht zuletzt deshalb, weil es den „gerechten Krieg“ und eine klare Kriegsfront nicht mehr gibt.

Bild: taz

sonntaz

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Und insofern sind Martha Gellhorns Reportagen ein Blick in eine vergangene Epoche, in der sich noch Partei ergreifen ließ, in der die Kräfte des Fortschritts noch deutlich erkennbar waren. Und auch Gellhorns Klage, mit ihren „wahren Berichten“ nichts bewirken zu können, wurde inzwischen hinfällig, denn den Medien kommt inzwischen wieder eine entscheidende Rolle zu, wie bei den militärischen Interventionen in Jugoslawien oder zuletzt in Libyen zu sehen war.

Die Zeit, als die Konfliktlinien in einem Krieg so deutlich verliefen wie im Zweiten Weltkrieg, sind längst Geschichte. Martha Gellhorns Reportagen zeugen davon in kongenialer Weise. Sie entführen uns weit weg in eine hässliche Welt aus dem letzten Jahrhundert, als Elend, Krankheit, Tod und Leiden sich noch mitten in Europa austobten, die inzwischen erfolgreich in die Dritte Welt ausgelagert werden konnten. Nach wirklichem Fortschritt sieht das nicht aus.

■ „Das Gesicht des Krieges. Reportagen 1937–1987“. Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring. Dörlemann Verlag, Zürich 2012, 576 Seiten, 24,90 Euro

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2 Kommentare

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  • KK
    Karl K

    @ von Robert:

    Das war nicht die beste Arbeit des Bittermann. "

     

    …nix gegen Proseminar, aber flying Robert hat irgendswie 'n andere Besprechung gelesen;

     

    da ich gar nicht recht weiß wo anfangen;

    ein zweites Proseminar am Sonntag ist- garp

    und gegen das Sonntagsbackverbot - also lassiches;

     

    warte auf das bestellte Buch und mit Vergnügen auf den nächsten

    Klaus Bittermann - vielleicht mal wieder life an Rhin?

     

    egal - die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter…

  • R
    Robert

    Das war nicht die beste Arbeit des Bittermann.

     

    Was ist an asymmetrischen Kriegen der Gegenwart so neu und einzigartig?

     

    Der asymmetrische Krieg den unterworfene Völker oder Völker, die unterworfen werden sollten, gegen Rom und dessen Legionen führten in Nah-Ost,Südosteuropa, Westeuropa und Mitteleuropa ( Germanen, relativ erfolgreich sogar)war doch nichts anderes als das was heute passiert- die beharkten sich damals auch trefflich untereinander wenn die Legionen abgezogen waren.

    Kamen die Legionen wieder ,zog die Mehrheit der Streithähne wieder an einem Strang.

     

    Und so ging es fort 2000 Jahre lang.

     

    Früher war man einfach ehrlicher in der Sprache!

     

    Insoweit schreibt und konstruiert also z.B. der zitierte Münkler Unfug.

    Man nannte sowas wie in Syrien heute passiert eben schlicht Bürgerkrieg-je nach ökonomischem und zivilisatorischem Standard waren das dann Gefechte oder regelrechte Kriege .

     

    Man mischte sich trotz Sympathien für die eine oder andere Seite allerdings nicht ein anders als heute ode rjedenfalls seltener, lieferte höchstens Material solange man Geld damit verdiente und Lieferung möglich war , drohte auch ein bisschen wenn die nicht unterstützte Seite im eigenem Sinne "über die Stränge" schlug ,direkt eigene Interessen beeinträchtigte.

    (z.B.Sezzessionskrieg USA, Großbritanniens Haltung , Frankreichs Haltung,Preussen und Rußlands Haltung. GB verlegte nach einem Zwischenfall Truppen nach Kanada als politische Drohung , die USA knickten sicherheitshalber in der Sache ein;ein -Bürger-Krieg reichte ihnen. )

     

    Diese heute aus taktisch-strategischen Gründen,aus sehr langfristig gedachten ökonomischen und machtpolitischen, ja pseudophilosophischen Zielsetzungen von interessierter Seite vorgenommenen bloßen semantischen ,sprachlich-inhaltlichen Umwidmungen ordinärer Bürgerkriege und neuer Kolonialkriege -nichts anderes ist das was stattfindet - mittels derer man dem uninformiertem und an sich desinteressiertem "gemeinem Mann auf der Straße" mit solchem angeblich "Neuem" die "neue" angedachte Weltordnung schmackhaft machen will, jedenfalls kritische Betrachtung verhindern will (wer geht schon gegen "Neues" vor ; erst mal abwarten ist da die Devise des klugen Mannes,sagt sich jeder,- fast jeder), ist doch sehr durchsichtig für jeden, der sehen und hören und lesen will wo er oder sie denn können will!

     

    Weshalb macht Bittermann bei sowas mit?

     

    Und Kriege , " asymmetrische" Kriege in Europa angebl. nicht vorhanden ,spielt sich alles in der dritten Welt ab?

    Und was ist mit Jugoslawien ff .? (Kaukasus,etwaig Weißrussland ff.)

     

    Das ist besetztes Gebiet da im einstigem Jugoslawien, Herrschaften,Herr Bittermann.

     

    Das war ein Eingriff in einen ordinären Bürgerkrieg auf Seiten der Insurgenten mit Sieg und anschließendem Besetzen des Landes und Konstruieren eigener Strukturen gemäß der eigenen Agenda.

     

    So ,wie wenn z.B. die Briten 1862 von Kanada aus und die Franzosen aus Mexiko heraus die "Südstaatler" unterstützt hätten, die Konföderation offiziell anerkannt hätten und mit eigenen Truppenverbänden und offenen Versorgungsleistungen dann im Zusammenwirken mit den Südstaatlern die US-Armee besiegt hätten komplett und die USA zerschlagen worden wären und anschließend, zumindest der Norden, von britischen und franz. Truppen besetzt worden wären und entsprechend deren Agenden umorganisiert worden wäre zu was auch immer.

     

    (Es hat übrigens so sehr viel nicht gefehlt an dem Szenario:Die Yankees hätten nur zwei,drei größere Schlachten mehr regelrecht,also strategisch, verlieren müssen, Vormärsche hätten scheitern müssen -dann wäre das vielleicht so gekommen und die USA würde es heute nicht mehr geben.)

     

     

    Das was da allerorten der staunenden und vorsichtigen,nichtbegeisterten aber duldenden Bevölkerung in den eigenen und Fremdstaaten vorgemacht wird ist bloße Semantik -die Realität ist ordinär und seit 2000 Jahren so,egal wie man mit welcher Semantik das umdichten will mittels Sprachverwirrungstiften.

     

    Und heute wird sich trefflich eingemischt ,weil die ausgeguckten Opfer -durchweg alles keine feinen Leute ,nur viel dümmer als die unfeinen Leute bei uns- schwächer sind und weil eine innere Hemmung in den Köpfen der heute ja die politischen Eliten stellenden rabiat aber sprachlich subtil Handelnden aus den ersten beiden Nachkriegsgenerationen bei uns, anders als zu den Zeiten der Gladstones und anderer damals Handelnden, eben NICHT MEHR EXISTIERT.

     

    Die HEUTE HANDELNDEN gleichen in ihren inneren sittlich-politischen Handlungs-und Denkstrukturen den sattsam als sittlicher Abschaum bekannten römischen Patriziern und deren Sklavenhaltergesellschaft mit formal demokratischen Machtstrukturen unter einem Diktat eines höheren Wesens,damals eben Kaiser genannt.Heute heißt es anders-ist aber genauso verrückt,vermutlich verrückter.

     

     

    Das Bittermann nur schwach die Gegenwart ,praktisch gar nicht nur im letzten Satz , in eine Kontinuität und in den historischen Kontext stellt in den sie als ordinäre Gegenwart in einer ordinären Geschichte an sich gehört in seinem Gellhorn-Artikel und weit mehr die ,wie nachgewiesen ja nur rein semantischen euphemistisch verdummend wirken sollenden , Darstellungen der Propagandaabteilungen benutzt , ist ärgerlich.

     

    Denn es gibt eben GERADE NICHTS NEUES unter der Sonne und im Westen eben auch nichts Neues-außer eben die Semantik der Propaganda und die Offenbarung jedweden Hemmungsverlustes jenes Personals das handelt und welches also die "Gladstones" der Geschichte noch als Nobelmänner und sittliche Gentlemen dastehen läßt!

     

    Und zudem hat das Frau Gellhorn nicht verdient!