Marsch gegen Homophobie in Havanna: Sexuelle Revolutionärin
Mariela Castro, Tochter des kubanischen Präsidenten, macht sich für die Rechte sexueller Minderheiten stark. Kritik an staatlicher Repression vermeidet sie aber.
BERLIN taz | Sie hat viel erreicht. Mariela Castro, Tochter des amtierenden kubanischen Präsidenten Raúl Castro und seiner 2007 verstorbenen Frau Vilma Espin, beide RevolutionärInnen der erste Stunde, ist für Kubas LGBT-Gemeinschaft ein Segen.
Als Vorsitzende des staatlichen kubanischen Sexualerziehungszentrums Cenesex hat sie federführend dafür gesorgt, dass Homophobie aus dem staatlichen Diskurs komplett verschwunden ist. Mehr noch: Geschlechtsumwandlungen Transsexueller werden vom staatlichen Gesundheitswesen kostenlos durchgeführt, und seit sechs Jahren begeht Kuba immer rund um den 17. Mai Aktionstage gegen Homophobie.
Unter dem Motto „Homophobie nein, Sozialismus ja!“ zogen am Wochenende einige hundert Schwule und Lesben unter Mariela Castros Führung durch Havanna – das wäre noch vor ein paar Jahren undenkbar gewesen.
Mariela Castro hat einiges dafür getan, dass der kubanische Staat seine eigene dunkle Vergangenheit im Umgang mit Schwulen, Lesben und Transsexuellen offenbart und diskutiert hat. In Interviews hat sie immer wieder erklärt, dass die kubanische Revolution zwar offiziell jeder Art von Diskriminierung den Kampf angesagt, die homophobe Normalität eines machistischen Landes aber zu lange mitgetragen habe.
Castros Erfolge werden auch international anerkannt. Anfang des Monats war sie nach Philadelphia eingeladen, um dort einen Preis für ihr Engagement entgegenzunehmen. Zunächst durfte sie nicht einreisen – das State Department machte die Entscheidung dann rückgängig. Allerdings blieben die Fragen nicht aus, warum Mariela Castro sich zwar so erfolgreich für Toleranz gegen sexuelle Diskriminierung einsetze, die Unterdrückung abweichender politischer Meinungen in Kuba aber mittrage.
Die gleiche Frage hatte ihr vor zwei Jahren auch die Bloggerin Yoani Sánchez bei einer Konferenz gestellt. Mariela Castro antwortete, das sei nicht ihr Arbeitsgebiet. Als „kognitive Dissonanz“ beschreibt das die Sektion „Gay Voices“ der Huffington Post. Dennoch: Mariela Castro ist wahrscheinlich die fortschrittlichste Denkerin innerhalb des Apparats, die derzeit öffentlich auftreten kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste