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Mars Mellows

Die Realität anders dastehen lassen: „Mouse On Mars“ im taz-Gespräch  ■ Von Holger in't Veld

Jan Werner und Andi Thoma von Mouse on Mars, die Konsens-Elektroniker aller Indie-Sozialisierten, sind weitaus mehr als die fluffigen Ästheten von nebenan. Ihr Mischverhältnis aus schillernder Oberfläche und struktureller Irritation ist in einem ganz positiven Sinne utopisch und funktioniert analog zur politischen Handlungsmaxime von Think Makro, Act Mikro. Die taz hamburg sprach mit ihnen über elektronische Romantik, das Prinzip des Scheiterns und den Duft der Revolution.

taz hamburg: Setzt ihr euch eigentlich Themen? Die Möglichkeiten sind ja monströs, nehme ich an.

Andi: Da sagste was. Man entdeckt immer Themen und geht damit spielerisch um. Es kommt auf das Stadium an, in dem sich der Track befindet. So 'ne blöde Melodie oder ein Clap oder ein 4/4 sind da oft Kommunikationsmittel, um mit der Außenwelt wieder Kontakt aufzunehmen.

Welche Rolle spielt Sentimentalität oder Romantik?

Also Romantik als speziell europäische Kulturlast ist eher hinderlich, repräsentiert einen Idealismus, den wir nicht teilen. Persönlich könnte man sicherlich sagen, dass wir auch sehnsüchtig und träumerisch sind, aber das war's dann auch.

Gerade vor diesem Hintergrund geht es mir aber um die Frage, inwieweit man sich eine eigene Sentimentalität erlauben kann.

In Form von Scheitern finde ich das super. Sich zu erlauben, in bestimmten Situationen immer wieder zurückzugehen und Dinge zusammenbrechen zu lassen. Aber Romantik als abendländisches Ideal, durch ein Sichverlieren stärker aus der Krise hervorzugehen – dahinter steht immer eine Machtorientiertheit.

Würdet ihr instrumentaler Musik eine politische, soziale Interventionskraft zusprechen?

Andi: So eine Veränderung funktioniert, glaube ich, nur in großen zeitlichen Dimensionen.

Jan: Wir glauben, dass sehr einfach gedachte Systeme zu sehr komplizierten Ergebnissen führen können, während es eine große Herausforderung ist, komplizierte Systeme einfach darzustellen. So eine Dimension interessiert uns. Ich sehe die Gefahr, dass man Musik sehr einfach benutzen kann, um eine Aussage, die man auch sehr einfach formulieren könnte, aufzuladen, wo Musik zu einer Soundtrackhaftigkeit verkommt, Ambient im Sinne von Beiwerk oder der Duft zur Revolution, die aber nicht durch den Duft stattfindet. Die Idee, dass Musik eine Revolution auslösen könnte, ist auf jeden Fall die viel interessantere Utopie als die, dass wenn es die Revolution gäbe, dann die und die Musik dabei laufen müsste. Ich glaube schon, dass in Musik ein Eskalationspotential, eine Sprengkraft vorhanden ist. Ob es jemals zu einer Deckung kommt mit der realen Welt, in der bestimmte Machtstrukturen regieren, weiß ich nicht, wir hoffen aber, dass sich das so beeinflusst, dass die Möglichkeit, die Realität anders dastehen lässt, in Frage stellt, oder auch die Realität zur Möglichkeit werden lässt und Hierarchien plötzlich nicht mehr funktionieren, weil die Frage größer geworden ist als die Anwort. Insofern kommt unsere Musik aus politischem Denken. Ob sie wirklich politisch ist, muss nach wie vor bezweifelt werden, weil die Verhältnisse keinesfalls so sind, dass wir sagen könnten, da läuft auch nur ansatzweise etwas so, wie wir das gut finden würden, im Gegenteil.

Die Revolution kann also auf euch zählen.

Auf jeden Fall, und selbst wenn die Revolution eine wäre, die das, an dem man jahrelang gearbeitet hat, einfach im Nichts verschwinden lässt, alles in die absolute Irrelevanz katapultiert, würde man das auf jeden Fall gerne aufgeben. Insofern ist das Scheitern, das Aufgeben und Wegschmeißen ein viel wesentlicherer Bestandteil als das Festhalten und die Vorstellung einer Zwangsläufigkeit. Genauso, wie diese Musik gedacht ist, in ihrer Bruchhaftigkeit und ihrem Wahnsinn, den sie für uns repräsentiert, ein Ansatz für diese Welt der Möglichkeiten und der Verzweigungen, die für einen Menschen eben Wahnsinn werden kann. Vielleicht auch der falsche Ansatz, aber auf gar keinen Fall etwas, was ein Gegenmodell zu dieser Welt der Möglichkeiten ist.

Habt ihr eigentlich eine studentische Vergangenheit?

Ich hab mir das mal angeguckt. Aber das war nicht möglich. Ich hab da nichts verstanden.

 Mouse On Mars/F.X.Randomiz/Oval/, Große Freiheit, ACHTUNG: Konzertbeginn 19.30!

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