Marode Schulen: Absage ans Kanzleramt
Der Landesbeauftragte für Integration, Günter Piening, gibt seiner Bundeskollegin einen Korb. Die hat zum Gespräch über den Brandbrief von SchulleiterInnen gebeten. Für Piening ist das nur Show.
Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening will mit seiner Kollegin auf Bundesebene, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), nicht über die Lage der Schulen in Berlin reden. Die Einladung der Beauftragten für Integration bei der Bundesregierung sei "eine ziemlich unüberlegte, auf schnelle Medienwirkung bedachte Reaktion", sagte Piening am Sonntag der taz.
Böhmer hatte zehn SchulleiterInnen aus dem Bezirk Mitte sowie Piening und die Bezirksintegrationsbeauftragte Maryam Stibenz für Dienstag zu einem Gespräch ins Bundeskanzleramt eingeladen. Anlass ist ein Brief, in dem die SchulleiterInnen von Mitte die Situation ihrer Schulen anprangern. Das an Senat und Bezirk gerichtete Schreiben war Anfang vergangener Woche bekannt geworden. Die VerfasserInnen beklagen darin den maroden Zustand ihrer Schulen sowie die schlechte personelle Ausstattung vor dem Hintergrund der schwierigen Zusammensetzung der Schülerschaft in weiten Teilen des Bezirks.
Er werde an dem Treffen nicht teilnehmen, so Piening: "Ich sehe nicht, wie es einen Beitrag dazu leisten könnte, die in dem Brief angeschnittenen Probleme zu lösen." Böhmers Einladung verstärke in der öffentlichen Wahrnehmung zudem den Eindruck, dass ein hoher Anteil von Einwandererkindern Ursache für Probleme von Schulen sei, befürchtet der Integrationsbeauftragte. Er werde Böhmer seine Position heute in einem Schreiben mitteilen, so Piening zur taz.
Ähnlich sieht auch Christian Hanke (SPD), Bürgermeister des Bezirks Mitte, die Einladung: Er freue sich zwar, dass seine SchulleiterInnen Aufmerksamkeit bekämen, "aber an der Lösung der Probleme arbeiten wir im Bezirk und im Land". Böhmer habe sicher "andere wichtige Themen, die sie auf Bundesebene bewegen muss, um uns hier in Berlin zu helfen", so Hanke. Den Brief der SchulleiterInnen seines Bezirks sieht der Bürgermeister positiv: "Ich wusste, dass es da brodelt, weil ich mit meinen SchulleiterInnen in engem Kontakt stehe." Er nehme den Brief ernst und unterstütze die Forderungen der Verfasser.
Auslöser für den Brief der SchulleiterInnen war, dass der Bezirk sich nicht mehr imstande sieht, das vom Senat zur Schulunterhaltung jährlich gezahlte Geld aus eigenen Mitteln aufzustocken. Die Zuzahlung aus dem Bezirkstopf, zuletzt 6,7 Millionen Euro, ist nötig, da der Senat nach Schülerzahl, nicht nach Fläche bezahlt. Der im Verhältnis große und damit teure Flächenbedarf der Schulen in Mitte sei aber "gut begründet", so Hanke: Angesichts der schwierigen Schülerschaft im Bezirk mit einem hohen Anteil von Kindern aus eingewanderten, armen und bildungsfernen Familien brauche man Räume für "kleinere Klassen, Teilungsstunden, Elternarbeit oder besondere Projekte".
Hartmut Blees, Leiter der Moses-Mendelssohn-Schule in Mitte und einer der Autoren des Briefs, begrüßt darum die Initiative der Bundesintegrationsbeauftragten: "Es geht nicht nur um bauliche Geschichten. Es geht auch um Integration." Viele Kinder mit Migrationshintergrund bedürften spezieller Förderung, doch die Fortbildung von Lehrer- und ErzieherInnen reiche nicht aus. Da müsse mehr investiert werden, fordert Blees: "Ich würde gerne bei kaputten Fenstern unterrichten, wenn ich dafür ein Topkollegium hätte!"
Der bauliche Verfall der Schulen, so der Schulleiter, sei aber "ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert man dem Thema Bildung immer noch beimisst: Es ist ein Randproblem". Mit anderen KollegInnen nimmt Schulleiter Blees deshalb die Einladung der Bundesintegrationsbeauftragten an: "Wir wollen diese Missstände ins Gespräch bringen."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen