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Marmor Stein und Eisen BrechtIm Schatten des Klassenlehrers

■ Eine Wortmeldung zum 100. Geburtstag

Wir haben in der DDR einiges von Brecht in der Schule lesen müssen, allerdings zu meiner Zeit unter Auslassung der Lobgedichte auf Stalin, weil dessen Name, wie der des trotzdem wirkenden jüdischen Gottes, nicht mehr genannt werden durfte. Mein letzter Klassenlehrer unterrichtete Staatsbürgerkunde und Geschichte. Er war Brecht- Liebhaber, mochte diesen grauenhaften Jazz und gab sich berufsbedingt linientreu. In seiner Wohnung hing ein Poster, darauf war der kahlgeschorene Brecht mit Zigarre abgebildet und einer seiner Sprüche zu lesen: „Glotzt nicht so romantisch!“

Ich hatte lange Haare, hörte Hard Rock und war bis in das letzte rote Blutkörperchen von romantischem Subjektivismus durchtränkt. Brecht war und blieb mir suspekt. Er mag ein guter Theatermann gewesen sein; ich verstehe nicht viel vom Theater. Er hat Vorschläge gemacht. Frau Geschichte hat sie zufälligerweise ignoriert. Friede seiner Asche!

Die so oft mißbrauchte Schöne winkt am Horizont, und ich folge ihr dahin, wo es statt Revolutionen den mimetischen Akt der Liebe zu machen gilt: an die Ufer des Blauen Himmels. Ingo Schramm, Schriftsteller

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