: „Marktführung, Beherrschung, Alleinstellung“
■ Das Bundeskartellamt spricht in seiner Begründung für die Untersagungsverfügung in Sachen Daimler-MBB-Fusion eine überaus deutliche Sprache: Bereits jetzt teilen sich MBB sowie die Daimler-Töchter MTU, Dornier und AEG viele Teilmärkte, insbesondere auf dem Markt für Kriegsgerät / Auch Airbus kein Grund
Die taz dokumentiert heute Auszüge aus der Begründung des Bundeskartellamts, die den Rüstungsmarkt betreffen. In unserer gestrigen Ausgabe (S.8) brachten wir bereits Auszüge, die das Argument der Bundesregierung, nicht der Binnenmarkt, sondern nur der Weltmarkt zähle in der Branche, widerlegt. Das Amt: Es gibt keinen internationalen Markt für staatlich bestellte Rüstungsgüter. Wenn im folgenden Text von „Alleinstellung“ die Rede ist, so meint das Kartellamt damit nicht mehr und nicht weniger als ein Monopol. Der Begriff der Systemführerschaft eines Unternehmens umschreibt seine Gesamtverantwortung bei der Entwicklung eines Waffensystems gegenüber dem Auftraggeber Bundesregierung, wobei an den Gerätschaften auch andere Unternehmen mitarbeiten können (d.Red.)
Auf der Grundlage einer Marktabgrenzung ergeben sich die nachfolgenden sachlich relevanten Märkte, auf denen die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmer vor allem tätig sind.
Flugzeuge
Bei militärischen Flugzeugen (Kampfflugzeuge, Transporter, Schulungsflugzeuge) besitzen als einzige deutsche Unternehmen MBB und Dornier die Systemfähigkeit. So ist etwa MBB deutscher Systemführer für das Tornado- und das Jäger 90 -Projekt. Dornier war deutscher Systemführer für das Luftnahunterstützungs- und Schulungsflugzeug Alpha Jet (deutsch-französische Kooperation) und ist qualifizierter Unterauftragsnehmer (Co-Contractor) beim Jäger-90.
Eine Überprüfung der Umsätze, die beide Untenehmen in dem Zeitraum von 1980 bis 1988 bei militärischen Flugzuegen für Zwecke der Bundeswehr erzielt haben, ergibt, daß auf MBB durchweg ein Anteil in einer Größenordnung von rund 85 Prozent entfiel.
Bereits diese Zahlen belegen einen eindeutigen Vorsprung von MBB. Auf dem Gebiet des System-Know-hows hat MBB insbesondere durch die Systemführerschaft beim Tornado einen erheblichen Vorsprung vor Dornier gewonnen. Gleichwohl ist Dornier nach wie vor als ernstzunehmender Konkurrent einzustufen. So war Dornier auch an den ersten Studien zum Jäger-90 im Wettbewerb zu MBB beteiligt; die Frage des deutschen Systemführers war in diesem Stadium noch offen. Da Dornier heute auf die finanziellen und technischen Ressourcen des Daimler-Benz-Konzerns, insbesondere auch die bei AEG vorhandene Elektronik zurückgreifen kann, könnte Dornier in absehbarer Zeit die derzeit bestehende eindeutige Führungsrolle von MBB zumindest relativieren.
Hubschrauber
Einziger deutscher Systemführer und entsprechend auch Generalunternehmer beziehungsweise nationaler Hauptauftragnehmer bei allen derzeit laufenden Vorhaben ist MBB. Entscheidend war für MBB die in den siebziger Jahren erfolgte Entwicklung der BO 105, die als Verbindungs- und Beobachtungshubschrauber (VBH) und als Panzerabwehrhubschrauber (PAH 1) bei der Bundeswehr eingesetzt wurde.
Triebwerke für Flugzeuge und Hubschrauber
Triebwerke für militärische Flugzeuge und Hubschrauber werden heute durchweg im Rahmen internationaler Kooperationen entwickelt und gefertigt. Einziger nationaler Hauptauftragnehmer bei den derzeit laufenden Vorhaben, der jeweils als Teilsystemführer die Verantwortung für die der deutschen Industrie zugewiesenen Arbeitspakete hat, ist MTU.
Lenkwaffen
Auf dem Markt für Lenkwaffen sind in der Bundesrepublik Deutschland außer MBB im wesentlichen noch die Bodenseewerk Gerätetechnik GmbH (BGT) sowie neuerdings Siemens und Dornier tätig. MBB hat auf diesem Markt vor allem durch die in deutsch-französischer Kooperation erfolgte Entwicklung der Panzerabwehrlenkwaffen „Milan“ und „Hot“ und der Flugabwehrlenkwaffe „Roland“ sowie die im nationalen Alleingang erfolgte Entwicklung des Seeziel-Flugkörper „Kormoran“ einen eindeutigen Vorsprung gewonnen.
Ein Überblick über die derzeit in Abwicklung befindlichen Vorhaben ergibt, daß MBB Generalunternehmer bei Vorhaben ist, auf die rund 65 Prozent des Gesamtvolumens entfallen. Läßt man die Vorhaben außer Betracht, für die ein Generalunternehmer noch nicht bestimmt ist, so erhöht sich dieser Anteil auf ungefähr 70 Prozent.
Faßt man die Umsätze der befragten Unternehmen mit Lenkwaffen für Zwecke der Bundeswehr im Zeitraum 1980 bis 1988 zusammen, so ergibt sich bei einem Gesamtvolumen in der Größenordnung von zwölf Milliarden Mark für MBB ein Anteil von über 80 Prozent; der Rest entfällt im wesentlichen auf BGT.
Drohnen
Drohnen sind unbemannte, langsam fliegende Kleinfluggeräte, die zur Aufklärung oder zu Kampfzwecken eingesetzt werden. Im Bereich dieser noch sehr neuen Art von Waffensystemen sind im Inland im wesentlichen Dornier und MBB tätig. Dornier hat einen geringen Vorsprung, da das Unternehmen sich mit der Entwicklung der Aufklärungsdrohne CL-289 schon relativ früh in diesem Bereich engagiert hat. Bei der Drohne KZO (Kleinfluggerät für Zielortung) bearbeiteten Dornier und MBB die Definitionsphase im Wettbewerb. Für die Kampfdrohne des Heeres liefen bisher Vorphasenaktivitäten bei MBB und Dornier. Das bisher erfaßbare Auftragsvolumen aller Vorhaben auf dem Gebiet der Drohnen liegt in einer Größenordnung von einigen Milliarden DM.
Überprüft man die bisher auf diesem Markt getätigten Umsätze, so entfällt in der Periode von 1980 bis 1988 auf Dornier ein Anteil von rund 86 Prozent und auf MBB ein Anteil von rund 14 Prozent.
Wehrelektronik
Der Markt der Wehrelektronik umfaßt die elektronischen Komponenten („Geräte“), Teilsysteme und Systeme, die für militärische Zwecke eingesetzt werden.
Auf diesem Markt ergibt sich bei Prüfung der in Abwicklung befindlichen Vorhaben, daß die Daimler-Benz-Unternehmen AEG und Dornier bei einem Volumen von 11,5 Prozent und Siemens bei einem volumen von 20,6 Prozent aller Vorhaben Generalunternehmer sind.
Aussagekräftiger als die Prüfung der Zuständigkeiten als Generalunternehmer ist daher die Marktanteilverteilung, die sich aus den auf dem Markt der Wehrelektronik erzielten Umsätze ergibt.
Daimler-Benz-Konzern (AEG und Dornier): 42,0 Prozent (davon nur ein geringer Teil Dornier); MBB: 1,7 Prozent; Siemens: 12,5 Prozent; SEL: 8,2 Prozent; Bosch: 5,5 Prozent; KAE: 4,9 Prozent; Rohde & Schwarz: 4,0 Prozent; Rest (13 Unternehmen): 21,2 Prozent.
Marinetechnik
Hierzu zählen der Bau von Kriegsschiffen sowie der Bereich Torpedos und Seeminen. Auf dem Gesamtmarkt hält der Daimler -Benz-Konzern (im wesentlichen AEG) als Generalunternehmer einen Anteil von 10,3 Prozent am Gesamtvolumen aller laufenden Vorhaben und MBB einen Anteil von 14,1 Prozent. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß für Vorhaben, deren Anteil am Gesamtvolumen sich auf ca.60 Prozent beläuft, ein Generalunternehmer noch nicht bestellt ist. Klammert man diese Vorhaben aus, dann ergibt sich für Daimler-Benz ein Anteil von 26,3 Prozent und für MBB ein Anteil von 36,0 Prozent, so daß beide Unternehmen zusammen als Generalunternehmer einen Anteil von 52,3 Prozent des Volumens der Vorhaben halten, für die der Generalunternehmer -Auftrag bereits vergeben ist.
Festzuhalten ist schließlich, daß der Daimler-Benz-Konzern auf dem Teilmarkt für Torpedos und Seeminen als Generalunternehmer einen Anteil von 45,6 Prozent am Auftragsvolumen aller Vorhaben hält.
Die Märkte der Wehrtechnik, auf denen die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen tätig sind, betreffen fast durchweg Rüstungsbereiche, denen auch in Zukunft erhebliche Bedeutung zukommen wird. Dies gilt in besonderem Maß für den Bereich Lenkwaffen und Drohnen sowie die Wehrelektronik, deren Bedeutung in Zukunft noch ganz erheblich zunehmen wird. Die im politischen Bereich aufgestellte Forderung zu noch stärkerer Umstrukturierung auf „Defensivwaffen“ ebenso wie die Anforderungen des Nato-Konzeptes „Follow-on forces attack“ führen dazu, daß sich die Verteilung der für Verteidungszwecke zur Verfügung stehenden Mittel voraussichtlich noch stärker auf „intelligente“ Abwehrwaffen sowie auf Führungs- und Aufklärungssysteme verlagern wird.
Auswirkungen des
Zusammenschlusses
Die marktbeherrschenden Stellungen von MBB werden durch den Zusammenschluß auf allen drei Märkten verstärkt. Bei Flugzeugen führt der Zusammenschluß zum Ausschluß des letzten Wettbewerbs und damit zu einer Alleinstellung der Gruppe MBB/Daimler-Benz. Bei Hubschraubern beseitigt der Zusammenschluß den Wettbewerb auf der Ebene von Teilsystemen, bei denen auch Dornier tätig ist. Bei Lenkwaffen führt der Zusammenschluß dazu, daß Dornier als Wettbewerber für MBB entfällt. Dies hat eine wesentliche Verstärkung der überragenden Marktstellung von MBB zur Folge, da Dornier mit dem Erwerb der Generalunternehmerschaft für das Projekt „Stinger“ auf dem Markt für Lenkwaffen Fuß gefaßt und seine Systemfähigkeit unter Beweis gestellt hat.
Auf dem Markt für Drohnen führt der Zusammenschluß zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung. Einzige wesentliche Wettbewerber auf diesem Markt sind Dornier und MBB. Beide Unternehmen stehen in einem ausgeprägten Wettbewerbsverhältnis auf diesem Zukunftsmarkt, was sich u.a. durch an beide Unternehmen vergebene Definitionsaufträge für dasselbe Projekt verdeutlicht. Durch den Zusammenschluß würde in Zukunft eine Alleinstellung der Gruppe Daimler-Benz/MBB bestehen.
Vertikale Auswirkungen
Auf dem Markt der Triebwerke für militärische Flugzeuge und Hubschrauber besteht schon heute eine überragende Marktstellung von MTU. Auf der Systemebene hat MTU eine Alleinstellung. Bei Hilfsaggregaten und Komponenten sowie Triebwerken für Kleinfluggeräte ist MTU zwar einer Konkurrenz durch KHD ausgesetzt. Insgesamt ist jedoch der Vorsprung von MTU, der sich in einem Marktanteil von über 80 Prozent ausdrückt, so groß, daß von einer überragenden Marktstellung auszugehen ist. Durch den Zusammenschluß wird die marktbeherrschende Stellung von MTU bei Triebwerken mit der marktbeherrschenden Stellung von MBB bei Flugzeugen, Hubschraubern und Lenkwaffen sowie der künftigen marktbeherrschenden Stellung von MBB/Dornier bei Drohnen kombiniert. Dies bedeutet, daß MTU in allen Bereichen, in denen Triebwerke verwandt werden, mit dem jeweiligen Marktbeherrscher in einem Konzern integriert ist. Für den Wettbewerb auf dem Markt für Triebwerke hat dies zur Folge, daß KHD als Anbieter von Teilsystemen gegenüber MTU kaum noch zum Zuge kommen kann. Der Zusammenschluß führt damit zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von MTU.
Auf dem Markt für Wehrelektronik hat der Daimler-Benz -Konzern über seine Unternehmen AEG und Dornier mit einem Marktanteil von 42 Prozent gegenüber dem nächst größeren Konkurrenten Siemens mit einem Marktanteil von 12,5 Prozent bereits heute eine herausragende Stellung.
Daimler-Benz wird nach dem Zusammenschluß bei Flugzeugen, Hubschraubern, Triebwerken und Drohnen eine Alleinstellung und bei Lenkwaffen fast eine Alleinstellung haben. Bei Schiffen wird sich auf der Systemebene zumindest eine starke Marktstellung ergeben. Das gleiche gilt im Bereich der Wirksysteme, zumindest soweit man den Einfluß von MBB auf RTG berücksichtigt. Daimler-Benz wird damit in den mit Abstand wichtigsten Bereichen, in denen die Wehrelektronik Anwendung findet, nicht nur die Systemkompetenz haben; das Unternehmen wird vielmehr auch in weiten Bereichen als Systemführer bzw. Generalunternehmer unverzichtbar sein. Diese Rolle erlaubt es Daimler-Benz, die Wertschöpfungsanteile bei der Vergabe von Unteraufträgen weitgehend im eigenen Konzern zu behalten und vor allem die Entwicklung von technologisch hochwertigen Komponenten den eigenen Konzern-Unternehmen vorzubehalten.
Noch stärkere Lobby
Durch den hohen Anteil am Beschaffungshaushalt (schon beschränkt auf die Eigenleistungen ein Anteil von ca.30 Prozent) und den noch höheren Anteil, den das Unternehmen als Generalunternehmer am Gesamtauftragsvolumen der Waffensysteme kontrolliert (50,5 Prozent; bezogen auf die Vorhaben, für die ein Generalunternehmer bestellt wurde, 67 Prozent), gewinnt der Daimler-Benz-Konzern als Folge des Zusammenschlusses im Rüstungsbereich eine wirtschaftliche Machtstellung, die zugleich auch eine politische Dimension aufweist. Festmachen läßt sich diese Dimension etwa an dem Einfluß, den Daimler-Benz nach dem Zusammenschluß auf die Interessenvertretung der Luft- und Raumfahrtindustrie haben wird. So werden z.B. fünf (statt bisher drei) von acht Präsidiumsmitgliedern des Bundesverbandes der Deutschen Luftfahrt-, Raumfahrt, und Ausrüstungsindustrie (BDLI) dem Daimler-Benz-Konzern angehören. Diese Verteilung spiegelt den Umstand wieder, daß von 86.000 der im BDLI erfaßten Beschäftigten 60.000 Beschäftigte zu Daimler-Benz gehören werden.
Raumfahrttechnik
Es ist zu erwarten, daß durch den Mehrheitserwerb der Daimler-Benz AG an MBB auf den inländischen Märkten für nicht-kommerzielle Trägersysteme, Orbitalsysteme und Satelliten, auf denen das BMFT und die ESA als Nachfrager auftreten, eine marktbeherrschende Stellung des Daimler-Benz -Konzerns entsteht.
Träger- und Orbitalsysteme
Der Zusammenschluß führt auf den Märkten für Träger- und Orbitalsysteme zum Wegfall des potentiellen Wettbewerbs auf der Systemführerebene, dem MBB bisher durch Dornier ausgesetzt ist. Der Verhaltensspielraum von MBB wäre ohne den Zusammenschluß angesichts der stärkeren unternehmerischen Orientierung der Daimler-Benz AG auf die Luft- und Raumfahrt nachhaltiger als bisher beeinflußt, da MBB mit einem kurzfristigen Markteintritt von Dornier rechnen müßte. Der Wegfall des von Dornier ausgehenden potentiellen Wettbewerbs läßt jedenfalls das Entstehen einer marktbeherrschenden Stellung von MBB im Verbund des Daimler -Benz-Konzerns erwarten.
Satelliten
Auf dem Markt für Satelliten entsteht durch den Zusammenschluß eine marktbeherrschende Stellung des Daimler -Benz-Konzerns. Bisher besteht auf diesem Markt auf der Systemführerebene wesentlicher Wettbewerb. Die Bildung eines so ressourcenstarken Wettbewerbs, der zudem in seiner Unternehmensgruppe wichtige Teilelieferanten mit Fähigkeiten zur Teilsystemführung (AEG) hat, wird die Marktzutrittschancen neuer Wettbewerber erheblich verringern.
Auswirkungen
auf Zulieferer
Der Zusammenschluß wird sich nachteilig auf die Ebene der Unterauftragnehmer auswirken. Sie sehen sich einem einzigen marktstarken Nachfrager gegenüber, der in seinem Konzernverbund eine Vielzahl von Unternehmen bei der Vergabe von Unteraufträgen heranziehen kann.
Markt für Lastkraftwagen
Die überragende Marktstellung der Daimler-Benz AG auf den Märkten für Lastkraftwagen wird durch den Zusammenschluß abgesichert und dadurch verstärkt. Das Unternehmen gewinnt durch den Mehrheitserwerb einen beherrschenden Einfluß auf MBB und wird damit Zugang zu den Forschungs- und Entwicklungspotentialen und -ergebnissen von MBB insbesondere auf den Gebieten der Wehrtechnik und der Luft und Raumfahrt haben. Bei Forschung und Entwicklung auf diesen Gebieten entstehen Ergebnisse, die im Kraftfahrzeugbau - und zwar auch bei Nutzkraftfahrzeugen anwendbar sind.
Die durch den Zusammenschluß entstehenden oder verstärkten marktbeherrschednen Stellungen der Unternehmensgruppe Daimler-Benz/MBB auf den Märkten der Wehrtechnik sowie der Luft- und Raumfahrt werden die Möglichkeiten ihrer Wettbewerber verschlechtern, von Unternehmen der Luftfahrt, Raumfahrt oder Wehrtechnik im eigenen Konzernverbund Forschungs- und Entwicklungsergebnisse aus diesen Arbeitsgebieten zu erhalten.
Airbus
An den durch die Marktbedingungen vorgegebenen Wettbewerbsnachteilen der Airbus Industrie gegenüber dem Marktführer Boeing ändert sich durch den Zusammenschluß nichts. Die entscheidenden Variablen für die Rentabilität des Airbus-Programms bleiben die Absatzzahlen, die wiederum von der Entwicklung des Weltflugzeugmarktes, dem Zugang zum amerikanischen Markt und dem Verhalten des Marktführers Boeing abhängen, die Preisstellung in US-Dollar, die ebenfalls vom Marktverhalten von Boeing bestimmt wird, und der Wechselkurs des US-Dollars.
Die Deutsche Airbus GmbH (DA), bisher eine 100prozentige MBB-Tochter, plant, überwacht und kontrolliert den gesamten deutschen Anteil am Airbus-Programm. Sie ist wirtschaftlicher Generalunternehmer für den deutschen Airbus -Umfang und somit Verhandlungs- und Vertragspartner für die Airbus Industrie, Toulouse, das Gemeinschaftsunternehmen der jetzt vier europäischen Airbus-Partner (neben DA (37,9 Prozent Anteil, Aerospatiale (37,9 Prozent), British Aerospace (20 Prozent), CASA (4,2 Prozent)). Airbus Industrie ist als ein „Groupement d'Interet Economique“ nach französischem Recht ohne eigene Kapitalausstattung organisiert. Erlöse und Kosten des Unternehmens sind deshalb anteilsmäßig unmittelbar von den Gesellschaftern zu übernehmen. Die fehlende Ergebnisverantwortung der Airbus Industrie sowie die Tatsache, daß die Verteilung der Entwicklungs- und Produktionsanteile auf die vier Partner nicht ausschließlich nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgenommen wird, wirkt zusammen mit dem Koordinierungsbedarf zwischen den vier Partnern einem kostenoptimalen Management des Airbus-Programms entgegen.
Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Zusammenschluß geeignet ist, diese betriebsindividuellen Wettbewerbsnachteile der Airbus Industrie zu mildern oder zu beseitigen.
Sofern schließlich eine Organisationsstruktur der Airbus Industrie angestrebt werden sollte, die zu einem kostengünstigeren Management des Airbus-Programms führt, kann dies durch den Zusammenschluß ebenfalls nicht herbeigeführt werden. Vor allem aber bedarf es für alle Veränderungen der Airbus-Organisationsstruktur einer einvernehmlichen Regelung der Partnerländer.
Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Zusammenschluß eine Voraussetzung für eine derartige Regelung ist. Kommt ein gemeinsamer Wille der Partnerländer für eine Lösung der Organisationsprobleme auf europäischer Ebene zustande, so steht dem die derzeitige Beteiligungsstruktur von MBB nicht im Wege. Fehlt es an einem entsprechenden gemeinsamen Willen der Partnerländer, dann ändert auch die Übernahme der unternehmerischen Verantwortung bei MBB durch Daimler-Benz nichts daran, daß es bei einer nachteiligen Organisationsstruktur der Airbus Industrie verbleibt.
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