: Marktfähige Demokratie?
■ betr.: „Samba mit der Stadtkasse“, Christian Füller, taz vom 17. 9. 98, S. 6
Der Bericht über einen Modellversuch zu den Kommunalfinanzen ist in zweierlei Hinsicht sehr interessant. [...] weil er etwas Interessantes berichtet, nämlich über die Einführung eines Stücks direkter Demokratie, das den Bürgern erlaubt, über den Haushalt ihrer Gemeinde abzustimmen. [...], zweitens, die Verwunderung, daß diese Initiative „ausgerechnet von der als radikal marktgläubig verschrienen Bertelsmann-Stiftung“ ausgeht. [...], die Verwunderung scheint darauf zu beruhen, daß „Marktgläubigkeit“ in einem Widerspruch zu Demokratie beziehungsweise direkter Demokratie stände. Oder anders gesagt, Christian Füller wundert sich, daß die bösen Marktgläubigen zu etwas Gutem wie direkter Demokratie beitragen können. Das Verhältnis von Markt und Demokratie wird als Gegensatz gedacht. Aber dies ist ein reichlich schiefer Denkansatz. Ein Markt funktioniert dort, wo Eigentumsrechte an privaten Gütern gesichert sind. Allerdings werden die Eigentumsrechte gesellschaftlich gesichert und sind -im Idealfall- demokratisch legitimiert. Gerade bei den Kommunalfinanzen geht es nun aber nicht um private, sondern um öffentliche Güter, die als solche gar nicht marktfähig sind. Welche öffentlichen Leistungen zu welchen Kosten, die ja durch die Steuern und Abgaben der Bürger zu finanzieren sind, angeboten werden, kann nicht der Markt bestimmen. Diese einfache Einsicht ist natürlich auch der Bertelsmann-Stiftung nicht verborgen geblieben. Marktmechanismus und demokratische Abstimmungen sind keine gegensätzlichen sondern komplementäre Institutionen. Hans-Peter Weikard, Berlin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen