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Markt statt Gesetz

Transrapid-Betreiber und Springer-Blatt wollen die Bahn fahrgastfrei machen  ■ Von Marco Carini

Franz-Josef Schneiders, Sprecher des Bonner Verkehrsministeriums, fallen nur zwei Worte ein: „Totaler Quatsch“. Der gestrige Bericht des Hamburger Abendblatt, der Personentransport per Flugzeug oder Bahn zwischen Hamburg und Berlin werde komplett eingestellt, wenn der Transrapid voraussichtlich im Jahr 2005 seinen Betrieb aufnimmt, entbehre „jeder Grundlage“.

Dem Sprecher der Schweriner Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft (MPG) Peter Jablonski, auf den sich die Springer-Postille bezieht, seien „Worte in den Mund gelegt worden, die dieser nie gesagt“ habe. Schneiders: „Die Eisenbahnverbindung zwischen den beiden Großstädten wird es definitiv auch nach der Eröffnung der Transrapid-Strecke geben“.

So klar ist das nicht – denn wer nur soll darauf fahren? Zwar räumt auch der sich mißverstanden fühlende MPG-Sprecher Jablonski ein, daß „keine Bahn-Strecke stillgelegt“ werden solle, doch schließlich entscheide „allein der Bedarf über die Zukunft der Verkehrssysteme“. Und wo der liegt, weiß der Transrapid-Fan genau: Da der Mag-netschweber „das attraktivste, schnellste und umweltgerechteste Transportmittel“ sei, werde es zu einer „Verlagerung“ der Fahrgastzahlen – weg von der Bahn, hin zum Stelzenraser – kommen.

Die tut auch not. Damit der Transrapid nicht im Eiltempo in die Miesen fährt, benötigt er wirklich jeden Fahrgast. Mindestens 12,5 Millionen Personen müssen sich pro Jahr das transrapide Fahrvergnügen gönnen. Um diese Zahl auch nur annähernd zu erreichen, müßten auch die 1,5 Millionen Bahnbenutzer, die 1995 auf Schienen zwischen der Elbe und Spree hin- und herjuckelten, auf die Stelzen gelockt werden. Jablonski sieht da keine Probleme: „Der Markt wird die Konkurrenz von alleine regeln“.

Wie die Bahn dieser Konkurrenz begegnen will, ist noch völlig offen. „Wir müssen abwarten“, lautet die wortgewaltige Antwort einer Sprecherin der Frankfurter Bahnzentrale auf die Frage nach neuen Zug-Konzepten im transrapiden Zeitalter. Und weil man eben warten müsse, könne die Deutsche Bahn heute zwar mitteilen, daß die Schienenverbindung zwischen Hamburg und Berlin, die gerade für 2 Milliarden Mark modernisiert worden sei, der Nachwelt in jedem Fall erhalten bleibe, nicht aber „in welcher Art“.

Das gleiche gilt auch für den Flugverkehr: Gesetze, die etwa das Jetten zwischen den beiden Nord-Metropolen verbieten würden, „kann und wird es“ laut Verkehrsministerium „nicht geben“. Allerdings geht Ministeriumssprecher Schneiders davon aus, „daß der Markt den Luftverkehr massiv einschränken“ wird. „Denn wer für unter 100 Mark in einer Stunde mit der Magnetschnellbahn nach Berlin kommt“, so Schneiders, „wird nicht in Hamburg ins Flugzeug steigen“.

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