: Markt nicht nur schlecht
■ Neuer Programmentwurf des DGB: Unternehmer nicht immer schuld
Düsseldorf (AFP/taz) – Vier Jahre dauerte die Diskussion, gestern schließlich legte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dieter Schulte, den Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm des Dachverbandes vor. In dem 34 Seiten starken Entwurf verabschiedet sich der DGB von der Position, daß der Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit allein bestimmend sei für alle sozialen Mißstände.
Der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit präge zwar weiter die kapitalistisch verfaßten Marktwirtschaften. „Gleichzeitig haben Widersprüche politisches und gesellschaftliches Gewicht bekommten, die nicht auf den Interessensgegensatz von Kapital und Arbeit zurückzuführen sind“, heißt es in dem Papier. Die „Konflikte zwischen den Geschlechtern“ werden als Beispiel genannt.
In dem Papier grenzt sich der Gewerkschaftsbund erstmals auch von allen dogmatischen Konzepten zur staatlichen Steuerung des Marktes ab. Die soziale Marktwirtschaft sei zum Erreichen gewerkschaftlicher Ziele besser geeignet als andere Wirtschaftsordnungen, heißt es. Allerdings habe die Marktwirtschaft weder Massenarbeitslosigkeit verhindert noch soziale Gerechtigkeit hergestellt. Darum seien neue Formen der gesellschaftlichen Mitbestimmung und „Interventionen des aktiv handelnden Sozialstaates“ notwendig.
Als Schwerpunkte des künftigen DGB-Programms nannte Schulte das Bekenntnis zu einer sozialen und demokratischen Europäischen Union, die Gleichstellung der Geschlechter, das Eintreten für eine sozialökologische Reformstrategie sowie den Anspruch der Gewerkschaften auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Mitgestaltung.
In dem Programmentwurf fordert der DGB-Vorstand eine „sozialökologische Reform“ in ganz Europa. Grenzüberschreitende Gewerkschaftsräte sollen gebildet werden, um die Wirtschafts- und Strukturpolitik „gemeinsam zu beeinflussen“. Im Bereich Gleichstellung kündigt der DGB verstärkte Bemühungen um gleiche Chancen für Frauen und Männer im Arbeitsleben an. Kürzere Arbeitszeiten könnten helfen, die Arbeit zwischen Männern und Frauen gerechter zu verteilen. In der Umweltpolitik setzt sich der DGB- Vorstand für einen Übergang vom nachsorgenden zum vorsorgenden Umweltschutz ein. Zugleich wird eine „europa-, möglichst sogar weltweite Vereinheitlichung der Umweltstandards auf hohem Niveau“ gefordert.
Schulte räumte ein, die neuen Ansatzpunkte im DGB-Programm seien zugleich auch die „Hauptkonfliktfelder“ in der internen Diskussion. Der Programmentwurf soll auf dem DGB-Reformkongreß im November in Dresden beraten werden.
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