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Marketing-Instinct

■ „Basic Instinct“, der Eröffnungsfilm in Cannes

San Francisco vor gut einem Jahr: Am Drehort des Thrillers Basic Instinct macht sich das Filmteam zu Nachtaufnahmen bereit. In den Straßen der Umgebung formieren sich mittlerweile Demonstrationszüge. Radikale Lesben- und Schwulenorganisationen ziehen zum Drehort,, werfen Farbeier, skandieren Sprüche wie „Hollywood You Stink/ Fuck Your Basic Instinct“.

Worum geht es? Regisseur Paul Verhoeven: „Basic Instinct handelt von einer bisexuellen Frau, die als Mörderin verdächtigt wird. Sie schläft im Film allerdings nur mit Männern. Die Demonstranten fühlen sich dadurch diskriminiert.“ Hauptdarsteller Michael Douglas: „Im heutigen Film gibt es tatsächlich nicht genügend positive homosexuelle Rollen. Aber diese Demonstranten schaden ihrem Anliegen nur, sie sind eine radikale Minderheit. Und außerdem wird keiner, der unseren Film sieht, verstehen, wogegen die demonstrieren.“ Verhoeven gab sich offen: „Ich wollte das Szenario ändern und auch Sex zwischen Frauen in den Film bringen. Aber der Drehbuchautor stemmte sich dagegen...“

Der Drehbuchautor heißt Joe Eszterhas (Flashdance) und ist eine schillernde Figur des US-Pressewesens. Der Ex-Journalist führte 1968 ein Interview mit der Mutter eines Katastrophenopfers — angeblich. Das brachte ihm eine Geldstrafe von 60.000 Dollar ein. Der ehemalige Redakteur bei 'Rolling Stone‘ ließ das Drehbuch zu Basic Instinct versteigern — die Produktionsfirma Carolco (Terminator II) gab mit drei Mio. Dollar das höchste Gebot ab.

Nachdem Verhoeven als Regisseur verpflichtet worden war und seine Vorstellungen von Sex in die Diskussion brachte, zeigte sich Eszterhas ungehalten. Monatelang mühte Verhoeven sich nun selbst am Drehbuch und kam dann reumütig auf Eszterhas zurück. Inzwischen war der Streit um Basic Instinct in die Presse lanciert worden. Nach tagelangen massiven Protesten stellte sich San Franciscos Bürgermeister Art Agnos hinter den Protest.

Und plötzlich war auch Drehbuchautor Eszterhas zur Stelle: Nie habe er eine bedrängte Randgruppe diskriminieren wollen, einige der besten Menschen, die er je getroffen habe, seien homosexuell... Nun war er zu allen Änderungen bereit. So sollte die Rolle von Michael Douglas in eine weibliche verändert und von Kathleen Turner gespielt werden. Und die Mordopfer der Killer-Lady sollten nicht nur männliche, sondern auch weibliche sein.

Doch nun wollte Carolco nicht mehr: Man könne sein künsterisches Konzept nicht auf Druck der Straße hin verändern. Vermutlich war inzwischen das Marketing-Konzept für den Film entwickelt, und der durch die Demonstranten verursachte Medienrummel kam den Produzenten nur recht. Als „Fuck Of The Century“ sollte der Streifen mit angeblich echten Sexszenen geheimste Lüste der Kinogänger befriedigen. (Wobei natürlich diese angeblich vorhandenen Szenen von der Selbstkontrolle der US-Filmwirtschaft sofort geschnitten wurden.)

Die erneuten Demonstrationen von „Queer Nation“ und GLAAD zur Premiere des Films im März 1992 taten ein übriges, das Publikum anzuheizen. Innerhalb von drei Tagen spielte Basic Instinct prompt 15 Millionen Dollar ein. — Ach ja, daß Basic Instinct Verhoevens bisher schwächster Film ist, scheint in diesem Zusammenhang keine Rolle mehr zu spielen. Ebenso die Tatsache, daß eine homosexuellenfeindliche Stimmung des Films allenfalls der erahnt, der Hintergründe kennt. Doch wer fragt schon im Zeitalter der Medienereignisse nach filmischer Qualität? Michael Höfner

Basic Instinkt. Regie: Paul Verhoeven, Drehbuch: Joe Eszterhas. Mit M. Douglas, Sharon Stone, Jeanne Tripplehorn u.a. USA, 1992.

(Siehe auch unsere tägliche Cannes-

Kolumne auf den Auslandsseiten.)

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