Markenname "Hartz-IV-Rebellin": Frei verwendbarer Begriff
Inge Hannemann hat den Begriff „Hartz-IV-Rebellin“ beim Patentamt angemeldet, um sich gegen Anfeindungen wehren zu können. Jetzt zieht sie zurück
HAMBURG taz | Die als „Hartz-IV-Rebellin“ bekannt gewordene suspendierte Hamburger Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann hat versucht, eben diesen Begriff als Wortmarke registrieren zu lassen. Im Register des Deutschen Patent und Markenamtes findet sich unter dem Aktenzeichen 3020140307014 eine Anmeldung mit Hannemanns Adresse. Im Mai drohte sie einer Bloggerin unter Verweis auf den angeblichen Markenschutz mit einer Unterlassungserklärung.
„Hinter der Beanspruchung fremder geistiger Leistungen als eigene ’Wortmarke‘ steht ein Versuch, die Meinungs und Pressefreiheit mit Hilfe des Markenrechts einzuschränken“, argwöhnt ein anonymer Hinweisgeber. Die Urheber des betreffenden Blogs http://susi-zintls.blog.de werfen Hannemann vor, sie wolle sich „auf dem Rücken von Hartz-IV-Berechtigten bereichern“ – so heißt es in dem zum Blog gehörenden Youtube-Kanal „Der Griesgram“.
Hannemann ist vom Jobcenter Hamburg-Altona vom Dienst suspendiert worden und klagt auf Weiterbeschäftigung. Sie hatte sich geweigert, gegen Hartz-IV-Empfänger finanzielle Sanktionen zu verhängen. Zudem kritisierte sie in ihrem 2012 gestarteten Blog „Altonabloggt“ öffentlich das Hartz-IV-System.
Trotzdem oder gerade deswegen findet sie bei Susi Zintl und dem Griesgram keine Gnade. Sie werfen Hannemann „Personenkult“ vor, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und dass sie überhaupt Mitarbeiterin beim Jobcenter war. Der Griesgram polemisiert unter permanentem Verweis auf seine „persönliche Meinung“: Hannemann sei eine Schande für den ganzen Hartz-IV-Widerstand. „Sie kommen aus irgendwelchen Jobcentern irgendwo und spielen sich als Heldin auf“, schimpft er, „das ist meine persönliche Meinung.“
Konkret angemahnt hat Hannemann eines von 15 satirisch gemeinten „Geboten der Hartz-IV-Empfänger“ auf Susi Zintls Blog: „Laufe den Hartz-IV-Rebellen hinterher. (…) Sie wissen, dass das unbequeme Gefühl vor einem Jobcenter-Termin nicht normal ist, sondern eine psychische Krankheit.“ Hannemann sagt: „Ich musste das einmal einreichen, weil meine Gegner unheimlich scharf schießen.“
Der Markenschutz sollte die Basis dafür schaffen, gegen Verleumdungen in Zusammenhang mit dem Begriff, der für Hannemann geprägt wurde, vorzugehen. Inzwischen habe sie aber entschieden, von einer Registrierung des Begriffs abzusehen. „Ich kann nachempfinden, wie es den Leuten geht“, sagt sie, schließlich habe sie selbst Willkür erlebt. Nur den Hass könne sie nicht verstehen.
Nach Einschätzung eines Hamburger Patentanwalts wäre sie nach der Anmeldung auch nicht weiter gekommen. Eine Marke können man nur für Waren und Dienstleistungen eintragen lassen. „Man kann sich nicht einen Begriff schützen lassen“, sagt der Anwalt. Allenfalls hätte Hannemann einen Firmennamen registrieren lassen können. Dafür sei aber nicht das Patentamt zuständig.
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