■ Das Portrait: Marek Borowski
Der Streit mutete etwas widersinnig an. Mitten in der heißen Phase des Wahlkampfes 1993 attackierte Trybuna, das Organ der exkommunistischen Sozialdemokraten, die polnischen Liberalen. Diese hätten, so die Trybuna, bei den Sozialdemokraten ihr wirtschaftspolitisches Programm abgeschrieben. Die Forderung nach Steuernachlässen für Unternehmen sei von den Linken zuerst gestellt worden war.
Polens linker Finanzminister Foto: Kwiatkowski/
Transparent
Daß manche der Sozialdemokraten Polens tatsächlich Liberalen zum Verwechseln ähnlich sind, liegt daran, daß sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Nach dem Verlust der Macht ging ein großer Teil der früheren Nomenklatura in die Wirtschaft. Jetzt wirken sich die hier gemachten Erfahrungen auf das Programm der Partei aus.
Prominentester Vertreter des liberalen Flügels der Sozialdemokraten ist Marek Borowski. Als Finanzminister und Vizepremier verfügt er über eine Machtfülle, wie sie bisher nur Polens radikaler Wirtschaftsreformer Leszek Balcerowicz innehatte.
Der 47jährige Familienvater, der sich vom Warenhausverkäufer zum stellvertretenden Handelsminister hochgearbeitet hat, gilt als Pragmatiker, der wirtschaftspolitischen Experimenten abgeneigt ist. Seine Partei hat ihn als Sicherung gegen populistische Forderungen der Bauernpartei in die Koalition eingebaut. Das bedeutet nicht, daß er sich diesen ganz verschließen kann: Vor einem Jahr hätte er um ein Haar eine Steuerreform durchgesetzt – zur Entlastung niedriger Einkommen und eine Steuererhöhung für Besserverdienende.
Marek Borowski war nie ein typischer Apparatschik. 1967 trat er in die Arbeiterpartei ein, doch schon ein Jahr später ging er unter dem Eindruck der gegen die Intelligenz gerichteten antisemitischen Kampagne der Parteiführung wieder. Erst nachdem der nationalistische Flügel in der Partei die Macht eingebüßt hatte, trat Borowski 1975 wieder ein.
Heute ist der Vizepremier Mitglied der angesehenen „Polnischen Ökonomischen Gesellschaft“, einer Vereinigung von Wirtschaftsexperten. In seiner Freizeit löst er nicht nur Rätsel, sondern beschäftigt sich auch mit „Problemen der Logik“. Beides ist in Polen keine schlechte Voraussetzung für das Amt des Finanzministers... Klaus Bachmann
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