Marco Reus vor DFB-Pokalfinale: Wider den Wankelmut
Marco Reus von Borussia Dortmund spielt so stark wie lange nicht mehr. Im DFB-Pokalfinale gegen RB Leipzig will er endlich ein großes Spiel prägen.
Schon vor dem Pokalfinale, in dem am Donnerstag Borussia Dortmund und RB Leipzig aufeinandertreffen, ist klar, dass der Abend ganz gut zur Karriere des Marco Reus passen wird. Entweder muss der von so vielen bitteren Wendungen des Schicksals betroffene Kapitän des BVB wieder einmal eine Finalniederlage verkraften. Oder er wird nach der Partie den DFB-Pokal entgegennehmen, allerdings in einem leeren Stadion, ohne Möglichkeit für eine große Party, ohne Triumphzug über den Borsigplatz.
Als er 2017 mit dem Gewinn des DFB-Pokals seinen bislang einzigen großen Titel feierte, trübte ein im Finale gerissenes Kreuzband seine Freude ein. Das richtige Timing gehörte nie zu den Stärken von Reus, der als junger Spieler genau in dem Moment aus Mönchengladbach zum BVB wechselte, als der FC Bayern zum unantastbaren Hegemon der Bundesliga wurde.
Die tragischen Geschichten über die aufgrund von Verletzungen verpassten Turniere mit dem Nationalteam 2014 und 2016 sind oft erzählt worden, und als Reus 2018 als Führungskraft zur WM nach Russland reiste, waren die Mitspieler und der Trainer müde, inspirationslos, nicht konkurrenzfähig. Nun steht der mittlerweile 31 Jahre alte Reus in einem weiteren großen Endspiel, und ist zuversichtlich. „Es wird nicht einfach, aber ich glaube, dass wir in den letzten Wochen einen guten Teamspirit haben, gut gespielt haben, dass wir so ein bisschen in einem Flow sind“, sagte er Anfang der Woche gegenüber der „Sportschau“, aber das nächste Unglück lauert schon: Reus’ Nominierung für die EM ist nach einer wechselhaften Saison alles andere als sicher. Die Konkurrenz ist groß.
Kai Havertz reift beim FC Chelsea in der Premier League und warb mit einer großartigen Leistung im Halbfinale der Champions League für sich. Ilkay Gündogan spielt in der Form seines Lebens, Leon Goretzka fühlt sich ebenfalls wohl im offensiveren Bereich des Mittelfeldes, und Talente wie Jamal Musiala (FC Bayern) oder Florian Wirtz (Bayer Leverkusen) drängen in den Vordergrund.
Acht Spiele, fünf Tore
Allerdings konnte Joachim Löw beim 3:2-Sieg des BVB gegen Leipzig am vorigen Samstag im Stadion gut beobachten, wie wertvoll dieser alternde Angreifer noch sein kann. „Er hilft der Mannschaft, wo immer er kann, unser Kapitän, wie auch alle anderen Führungsspieler, sind gerade jetzt in dieser entscheidenden Phase der Saison mehr denn je gefragt“, sagte Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspielerabteilung, vor einigen Tagen der WAZ.
Ähnlich klang Edin Terzic, als er verkündete, Reus sei „als Kapitän ein wesentlicher Bestandteil“ der starken Leistungen, zu denen der BVB sich zuletzt aufgerafft hat. Der Trainer hofft, dass „Marco weiter so viel Torgefahr ausstrahlen kann und immer wieder unterstützen kann in der Defensive.“ In den vergangenen acht Partien hat Reus fünf Tore geschossen und ein weiteres vorbereitet. Reus spielt derzeit so konstant und formstark wie seit Jahren nicht mehr.
Auch Löw hat die gute Entwicklung des Dortmunder Angreifers erkannt. Reus wirke „wieder spritziger und hat gute Momente. Wir werden seine Entwicklung weiter genau beobachten und hoffen, dass er den positiven Trend weiter fortsetzen kann“, hatte der Bundestrainer bereits in der Länderspielpause im März erklärt. Seither wird Reus immer besser. Offenbar hat der Druck, unter dem er spielt, eine beflügelnde Wirkung: Die EM könnte seine letzte realistische Chance auf eine Turnierteilnahme sein, und mit dem BVB kämpft er darum, weiter in der Champions League zu spielen.
Terzic erwartet, dass Reus in den übrigen Partien der Saison abermals „vorweg gehen kann, weil wir diese Leistung von ihm brauchen“. Wobei sich hinter diesem Lob auch die Sorge verbirgt, dass sein Kapitän doch wieder abtaucht. Denn häufig stand er unter dem Verdacht, in zu vielen Momenten, mitunter auch in den großen, unter seinen immensen Möglichkeiten zu bleiben. Auch wenn sich das zuweilen mit Verletzungen erklären ließ.
Der viel zitierte Wankelmut des Teams, die Neigung, in einzelnen Spielen nicht konsequent genug zu agieren, oder einfach zu nervenschwach zu sein, könnte auch mit dem Kapitän zu tun haben, der als junger Kerl ohne Führerschein Auto fuhr, weil er Prüfungsangst hatte. Zu dieser Kritik sagte Reus allerdings am Wochenende: „Ich war sieben Monate raus ohne Vorbereitung, da war mir schon klar, dass ich nicht durch die Liga marschieren werde, sondern dass ich Zeit brauche.“ Nun will er endlich auch einmal ein großes Finale prägen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko