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Lyrische BriseMantel im Wind

■ Später sprachen sie von Glück

Ein leichter, kalter Ostwind wehte. Ein unerhört blauer Himmel spannte sich über das unerlöste Land. In Scharen drängten die Menschen, den Blick auf die hart verkrustete Straße gesenkt, zum Flughafen, um in Windeseile das Land zu verlassen. Hoch über den Wolken erfaßte ein Jet-Stream das Flugzeug und trieb es dem gelobten Land zu, wo die Strände heiß und schwarz sein sollten. Jedes Gespräch versiegte im Zischen der Klimaanlage. Die Menschen sackten in ihren Sitzen zusammen. Aber in ihren Augen war Feuer.

Zur Begrüßung war ein heißer Wüstenwind gekommen, der die Hosenbeine und sinnlosen Wintermäntel flattern machte. Er bog die Palmwedel und fegte trostlose Gedanken an die in kristalliner Starre versunkene Heimat so gründlich fort, daß hier und da ein kleines Kichern zu hören war.

Anderntags traf man sich wieder am Strand. Mit seinem anhaltenden Wehen hatte der Wind das Meer in Unruhe versetzt. Weißer Schaum flog von den Kämmen der Wellen, die gegen die Strände rannten. Unter Strafe wurde das Schwimmen im Wasser verboten, derweil sich die Menschen im heißen schwarzen Sand mit Cremes gegen die tückische Sonne zu schützen suchten. Später zog man sich unter rotierende Ventilatoren zurück.

Es war diese köstliche Brise, die den Mandelblütenduft herantrug und die Wäsche der Eingeborenen auf den Dächern flattern ließ. Es war diese köstliche Brise, die das kleine, aus einem Holzbrett, Zündhölzern, Schuhmachergarn und Papier gebaute Segelschiff im Seegang des Pools kentern ließ. Sie sprachen später von Glück.

Die Gäste aus dem verlorenen Land betrachteten es als Inbegriff des Luxus', ein feuchtkaltes Stück Waldes im Norden ihres Asyls aufzusuchen, wo sie sich gegen einen nebeltreibenden Wind die Kleidungsstücke ihrer Heimat anzogen. Einer sagte: „Der Wind hier riecht.“

Der Wind drehte. Jetzt blies er aus der Richtung ihrer Heimat und spülte Wolken an ihren Berg. In den Wolken suchten sie auf dem Rücken liegend vergeblich nach Botschaften. Dann wurden sie abgeholt.

Daheim hatte es begonnen zu tauen. Nie war den Menschen ihr Land so gottverlassen und schmutzig vorgekommen. Schließlich aber mußten sie doch lachen, als ihnen beim Verlassen des Flughafengebäudes unvermittelt Frl. Lennartz aus Syke vor die Füße geweht wurde. Bus

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