: Mann zum Weinen reizt zum Husten
■ Über die Komödie »Unentbehrlich, dieser Mann« im Intimen Theater
Gabriele Lorenz und Michael Pan (Foto: Buhs/Remmler)
Wann ist der Mann ein Mann? Wenn er weint und schreit, krakeelt, sich wichtig macht? Das Menschenmännchen ist allemal eine unwürdige Figur, wenn es ihm darum geht, Besitzstände zu wahren — wie den freien Zugang zu einst aquirierten Frauenschößen oder emotionalen Panamakanälen zum bequemen Abtransport von Selbstmitleid jenseits des Umwegs über die Selbstreflexion. Der Mann ist dumm, und die meisten haben Nachsicht mit ihm.
Ein solcher Jedermann ist Bob, Schriftsteller, Held des von Richard Harris verfertigten Theaterstücks, verheiratet mit Christine, Hausfrau und Mutter zweier während des Stücks unsichtbarer Kinder.
So oszilliert die Fantasie des Hausherrn zwischen tumber Pornografie und andererseits vollständiger todgleicher Agonie des von seiner Arbeit frustierten, langweiligen, rückenkranken, bärtigen und selbstgerechten Geistesarbeiters Bob. Doch zur verschärften sexuellen Praxis als auch zum Suizid fehlt dem grauen Mittvierziger gleichermaßen die Traute.
Da tut Bob eine ihm bis dato unbekannte Frauensperson auf. Diana, der den sexuellen Attributen beigeordnete Mensch, ist vom stupiden Charme des Familienvaters angetan. Die beiden leben ihre erklärte Nichtbeziehung bis zu dem Moment, an dem den rastlosen Heimwerker Bob das Heimweh packt. Mit dem tief gefühlten Satz »Ich kann sie doch nicht im Stich lassen« auf den Lippen tingelt das traurige Menschenwesen zwischen den Kochtöpfen von Frau und Geliebter, bis beide Frauen ihr Liebesbedürfnis und Verlangen schließlich gegen ihren Kopf eintauschen. Bob scheint zu verstehen, aber dann...
Mit »Unentbehrlich, dieser Mann« präsentiert die nicht subventionierte Kreuzberger Bühne wieder einmal ein Beziehungsdrama, das die Kleinfamilie als Lebensform als etwas durchaus Zeitgemäßes, zumindest jedoch wichtiges Existentes erachtet. Brav spielen die drei Schauspieler ihrem bürgerlichen Publikum die unzulängliche Beziehungsfähigkeit bürgerlicher Familien vor, ein Trauerspiel in unterhaltsamer Komödiengestalt — zweifellos schadlos auf alternative Lebensformen übertragbar — bei dem gelacht werden darf, da sich ohnehin nichts ändert.
Der Vorhang fällt, die Akteure treten ins Licht, Applaus, und wer strebt beharrlich in die Mitte zwischen beide Frauen? Der Mann. Stefan Gerhard
Intimes Theater, Di-Sa 20.00
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