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Mann und Pose

■ Afghan Whigs bringen uns ihre neue Platte „Gentlemen“ persönlich

Bevor Greg Dulli seinen Lebensunterhalt mit Musik bestritt, war er Dachdecker. „Das tolle daran ist, daß ich noch Jahre später herumfahren kann und sehe: das habe ich gemacht. Das ist ein gutes Gefühl.“

Pose ist hauptsächlich scheiße. Pose führt zwar zu viel lebensbereichender und -erleichternder Kurzweil, ist aber unter dem Strich meist nur ein Eingeständnis von Unzulänglichkeit. Auf die Afghan Whigs und deren schaffendes Zentrum Greg Dulli trifft das erfreulicherweise nur ganz wenig zu. Daß hier den Möglichkeiten entsprechend ehrlich mit Emotionalität und ihrem Ausdruck umgegangen wird, ist offensichtlich. Gerade in der Relation; die Band, gewachsen im SubPop-Kreis von „ehrlicher Rockmusik“, die den Dreck zuläßt, zuläßt bis über die Trotzigkeit hinaus, bis zur Inszenierung.

Dort steht sie, besser stand sie, und zeichnet ruhigen Pathos auf, arbeitet mit, in solch neugeschaffenem System nun eklig gewordener Symbole, Texte, Melodien. Die Cover: schwarze Frau hält weißes Kind im Arm, beruhigend und schön; kleiner Junge blickt gedankenvoll, hinter ihm ein Mädchen in geblümtem Kleid auf sauber-weißem Bett, monochrom, beschaulich. Zu allem Überfluß trägt die Platte den Titel Gentlemen. Dulli: „Einer der Auslöser für diesen Titel waren Toilettenschilder. Ich habe darüber nachgedacht, wie oft ich und wie oft andere durch eine Tür mit dieser Aufschrift gegangen sind und wie wenige davon „Gentlemen“ waren. Es ist ein bedeutungsschwangeres, unterschiedlich konnotiertes Wort und viele Männer, mich eingeschlossen, halten sich für Gentlemen und sind dabei Heuchler.“

„Da ist diese Textzeile: „I got a dick for a brain“.

„Eben. Wie viele Männer kennst du, die genauso sind, die herumlaufen und nur daran denken, schnell eine Frau zu bumsen und sofort zu verschwinden. Es gibt ein gewaltiges Maß an Macho-Verhalten, besonders in der Rock-Musik (zwirbelt seinen gepflegten Kinnbart). Aber der hauptsächliche Grund für Gentlemen war das Wort an sich. Es sieht gut aus und es klingt gut.“

Da spricht Greg Dulli, der freundlich-bürgerliche Mensch.

„Ich bin überhaupt nicht daran interessiert, ein „pissed off punkrocker“ zu sein. Ich finde auch nichts romantisch oder reizvoll daran, mein Bewußtsein zu verlieren.“

All dies kam (oder besser: kam nicht) natürlich. Aber an einem Moment dieser eher winterlich und dunkel gestimmten LP mußte Dulli dann doch arbeiten: „Ich wollte nicht selbstmitleidig klingen. Daher habe ich auch versucht, der Platte ein hoffnungsvolles Ende zu geben.“

Holger In't Veld

20.1., Fabrik

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