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Mann stirbt nach PolizeieinsatzNach Einsatz Tod

Ein Schwarzer Mann, der bei einem Polizeieinsatz in Spandau ins Koma fiel, ist nun gestorben. Die Opferberatung ReachOut erhebt schwere Vorwürfe.

„Durch den Einsatz ermordet“: ReachOut erhebt schwere Vorwürfe gegen die Berliner Polizei Foto: dpa

Berlin dpa/taz | Vor rund drei Wochen ist ein 64 Jahre alter Mann bei einem Polizeieinsatz in Berlin zusammengebrochen – am Donnerstag starb er im Krankenhaus. Eine Polizeisprecherin bestätigte am Freitagmorgen den Tod des psychisch kranken Schwarzen Mannes in der Universitätsklinik Charité. Die Opferberatungsstelle ReachOut wirft der Polizei in einer Pressemitteilung vor, bei dem Einsatz „massive brutale Gewalt“ angewendet zu haben und für den Tod verantwortlich zu sein, zudem spricht sie von Rassismus. Die Polizei ermittelt gegen die beteiligten Beamten. Die Leiche des Mannes soll obduziert werden.

Mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen wollte sich die Polizei am Freitag nicht ausführlicher äußern. Geführt würden diese vom Fachkommissariat für Beamtendelikte, hieß es. Geklärt werden müsse der Ablauf des Einsatzes und die Frage, ob die Polizisten richtig und verhältnismäßig gehandelt hätten, sagte die Sprecherin. „Es geht um die Frage: Ist er an den Folgen des Polizeieinsatzes gestorben oder nicht?“

Reachout schrieb, der Bruder des Mannes habe sie auf den Fall aufmerksam gemacht. Polizisten hätten den 64-Jährigen unter anderem am Boden fixiert, ein Polizist habe ihm ein Knie in den Nacken gedrückt. Er habe geblutet. Schließlich habe er aufgehört zu atmen. Eine Wiederbelebung habe mehr als 20 Minuten gedauert. Er sei in ein Krankenhaus gebracht worden und später ins Koma gefallen. Laut Reachout wurde der Bruder erst sieben Tage nach dem Vorfall vom Krankenhaus benachrichtigt.

Der 64-Jährige, der obdachlos war, sollte am 14. September aus einem Heim in Spandau in ein psychiatrisches Krankenhaus verlegt werden. Die Unterkunft im Ortsteil Falkenhagener Feld beherbergt nach eigenen Angaben Wohnungslose und seelisch Behinderte. Nach Angaben der Polizei vom 22. September hatte ein Gericht die Verlegung des Mannes angeordnet, weil der Mann ein psychiatrisches Krankheitsbild gehabt habe.

Wegen „Bürofehler“ spät informiert

„Da der Mann zunehmend aufgebrachter wurde, wurden die im Vorfeld informierten Polizeikräfte um Unterstützung gebeten“, hieß es damals in der Mitteilung der Polizei. Gegen die Mitnahme habe sich der 64-Jährige „mit Tritten, Schlägen und Bissversuchen“ gewehrt. Auch nachdem ihm Handschellen angelegt worden seien, habe er „massiv Widerstand“ geleistet. Schließlich sei er im Beisein eines Rettungsdienstes und seines Betreuers kollabiert, ein Notarzt habe ihn reanimieren müssen. Er kam laut Polizei auf die Intensivstation eines Krankenhauses in Spandau, von wo er später in die Charité verlegt wurde.

Die Polizei hatte damals erst rund eine Woche nach dem Vorfall über den Einsatz berichtet. Grund sei ein „Bürofehler“, hieß es zur Begründung. Intern sei bei der Übermittlung etwas schief gegangen.

In der Mitteliung von ReachOut heißt es, die Nachricht vom Tod des Mannes „schmerzt uns, gleichzeitig steht er aber auch für eine systematische Praxis der Polizei, die durch ihre Eingrifffe, in diesem Fall bei einem Schwarzen, psychisch krank gemachten Menschen, den Tod verursacht“. Die Beratungsstelle sei überzeugt, dass der Mann „durch den Polizeieinsatz ermordet“ wurde.

Polizeigewalt in Berlin war zuletzt wieder im September ein Thema geworden, nachdem der Linken-Abgeordnete Ferat Koçak ein Video veröffentlicht hatte. Es zeigte das brutale Vorgehen von Beamten beim Einsatz in der Wohnung einer syrischen Familie. Bundesinnenminiserin Nancy Faeser hatte im Nachgang erklärt, sie könne in den Äußerungen des Polizisten keinen Rassismus erkennen.

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