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Manipulierte Bakterien in der freien Natur?

■ US–Umweltbehörde will Freilandversuche mit genmanipulierten Bakterien genehmigen / Kritiker befürchten unkontrollierbare Auswirkungen auf Pflanzen und Wetter / Bürgerinitiativen wollen mit einstweiliger Verfügung die Durchführung der Versuche verhindern

Von Michael Fischer

Berlin (taz) - Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat die US–Umweltbehörde EPA am Donnerstag der Bio–Tech–Firma „Advanced Genetic Sciences“ im südkalifornischen Oakland die Erlaubnis gegeben, Freilandversuche mit genmanipulierten Bakterien durchzuführen. Die erste Genehmigung war im Februar zurückgenommen worden, nachdem bekannt geworden war, daß die Firma bereits im Winter 1985 ohne Erlaubnis Tests auf ihrem Dachgarten durchgeführt hatte. Die EPA–Entscheidung ist jedoch umstritten: Gen–Technologiekritiker machen geltend, daß Freilandversuche mit sogenannten Eis–Minus–Bakterien, die in manipulierter Form Kulturpflanzen bei geringen Minusgraden vor Frostschäden schützen sollen, unverantworlich sind, weil die Auswirkungen auf das Wetter und andere Pflanzen weitgehend unerforscht sind. Unbehandelt sind die Mikroorganismen für die Eiskristall– und Regenbildung in der Atmosphäre verantwortlich. Die Kritiker befürchten außerdem, daß die endgültige Genehmi gung des Freilandversuchs der kalifornischen Firma eine Lawine risikoreicher gen–technologischer Tests auslösen könnte. Die Anträge für mindestens hundert weitere Versuche sollen schon fertig vorbereitet in den Schubladen liegen. Die US–Umweltbehörde beugt sich mit ihrer Entscheidung dem Druck der ungeduldigen biotechnologischen Firmen, die Anfang der 80iger Jahre wie Pilze aus dem Boden schossen. Nach den anfänglichen Jahren der Renditelosigkeit sehen sie jetzt die Zeit für die kommerzielle Verwertung ihrer Produkte ge kommen: Was noch fehlt, sind Tests unter realistischen Bedingungen. Doch die Chancen für die tatsächliche Durchführung des Versuchs stehen nicht zum Besten. Seit nämlich das US–Gesundheitsministeriums im September 1983 zum ersten Mal einem Freilandversuch zustimmte, ist es Gentechnologiekritikern wie Jeremy Rifkin von der „Foundation on Economic Trends“ immer wieder gelungen, die tatsächliche Durchführung durch einstweilige Verfügungen, Gerichtsbeschlüsse und Bürgerproteste zu stoppen. Auch dieses Mal wird erwartet, daß die Bürgerinitiativen der von den Versuchen betroffenen Regionen und Rifkin gegen den Beschluß der Umweltbehörde vorgehen werden. Ansatzpunkt der Gen–Gegner könnte das kalifornische Umweltgesetz sein, das strengere Bestimmungen vorsieht als das Bundesgesetz, auf das sich die Umweltbehörde bei ihrer Entscheidung bezog. Mit dieser Strategie war es der Gen–Opposition schon Ende August gelungen, den von Professor Steve Lindow von der Universität Berkley geplanten Freilandversuch mit Eis–Minus–Bakterien zu verhindern.

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