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Manila wurde zur Festung ausgebaut

■ Seit Montag tagt die 3. ASEAN–Gipfelkonferenz in der philippinischen Hauptstadt / Erstes Treffen der Delegationen südostasiatischer Staaten seit 1977 / Aus Angst vor Anschlägen Unmengen von Sicherheitsvorkehrungen

Von G. Körte und W. Leitner

Manila (taz) - „Madame Präsident, wenn die ASEAN–Regierungschefs sich nur von ihren Sicherheitsdiensten leiten ließen, wären sie nicht in Manila“, meinte Singapurs Ministerpräsident Lee Kuan Yew in seiner Eröffnungsrede. In der Tat hatten sich einige Mitgliedsländer gegen die Auswahl Manilas als Tagungsort für das dritte Gipfeltreffen der sechs ASEAN–Staaten ausgesprochen, weil die innenpolitische Lage auf den Philippinen in den Monaten zuvor arge Sicherheitsbedenken hervorgerufen hatte. Dem Beispiel des indonesischen Präsidenten Suharto folgend, fuhr Yew fort, wolle man aber gemeinsame Unterstützung für die Regierung Aquino in einer Phase von innenpolitischen Destabilisierungsversuchen leisten. So wurde der Gipfel für Manila auch zum Prestigeobjekt in Sachen Innere Sicherheit und Anlaß zum Großeinsatz für das Militär. Mehrere Sprengsätze, die in den vergangenen 14 Tagen am Konferenzort, am Flughafen und im Geschäftszentrum Makati detoniert waren, hatten die Durchführung des ersten Gipfels nach 1977 in Frage gestellt. Sowohl den Marcos–Loyalisten als auch der linken Guerilla–Organisation „New Peoples Army“ wurden Anschläge auf die hochkarätigen Delegationen aus Thailand, Malaysia, Singapur, Brunei und Indonesien zugetraut. Mit einem Stoßseufzer konnte Corazon Aquino zwar vor wenigen Tagen die Festnahme des rechten Milwtaeyrebellen „Gringo“ Honasan bekanntgeben, die Gefahr eines Anschlags auf die ASEAN– Gipfelkonferenz ist dadurch jedoch nicht gebannt. „Ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk“ nannte Aquino die Inhaftierung des Putschanführers vom 28. August. Die Hauptstädter, an reiche Präsenz von Sicherheitskräften seit langem gewöhnt, erleben in diesen Tagen eine kaum noch für möglich gehaltene Steigerung. Das Konferenzzentrum in Manila wurde zu einer regelrechten Festung ausgebaut. Bereits seit Tagen hatten zehntausend Soldaten in Uniform und Agenten in Zivil den Tagungsort an der für ihre atemberaubenden Sonnenuntergänge bekannten Manila–Bay weiträumig abgeriegelt. Das vorherrschende olivgrüne Uniformtuch wirkte eintönig in einer künstlich angelegten Parkland schaft, in der sonst Tausende von entspannten Filipinos in buntbedruckten T–Shirts ihre Freizeit genießen. Unmengen akkurat geparkter Hubschrauber, Ambulanzen und Feuerwehrfahrzeuge verstärken das beklemmende Gefühl inmitten der von Nobelexilantin Imelda Marcos initiierten bombastischen Prestigearchitektur. Nicht genug mit diversen Straßensperren, Sicherheitsgürteln und Kontrollpunkten - die angereisten Premiers durften als weitreichendes Zugeständnis unbegrenzt einige Sicherheitskräfte mit ins Land bringen. So ankern u.a. diverse Kriegsschiffe aus den Gastländern in der Bucht incl. der hauseigenen Helikopter. Nur der japanische Premier Takeshita verzichtete auf Bodyguards, ein bewußtes Zeichen seines Vertrauens in die philippinischen Sicherheitsmaßnahmen und wohl auch ein wenig Goodwill. Gerüchteweise wird der japanischen „Roten Armee“–Guerilla Unterstützung der linken NPA nachgesagt. Zwei Japaner gelten als Hintermänner des Anschlags auf den internationalen Flughafen von Manila, bei dem mehrere Menschen verletzt wurden. Bis zu vier Durchsuchungen mußten die mehr als tausend akkreditierten Journalisten durchlaufen, um zu gewährleisten, daß bis auf Grußadressen und den täglichen Vortrag des Pressesprechers sich das Tagungsgeschehen unter Ausschluß der Öffenlichkeit abspielt. Langeweile herrscht im Pressezentrum, wo die Medienvertreter versuchen, zwischen den Zeilen der vorbereiteten Pressestatements relevantes Material für die Berichterstattung zu finden. Das Tagungsprogramm stellt sich im wesentlichen als Flucht in den Schwerpunkt Wirtschaft dar. Heiße Eisen wie die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone im ASEAN–Bereich und den Fortbestand der US–Basen auf den Philippinen nach 1991 wurden nur zaghaft angefaßt. Zu uneinig waren sich die Mitgliedstaaten schon in der die Agenda vorbereitenden Kommission. Die philippinische Staatspräsidentin Carozan Aquino betonte jedoch, daß die US–Stützpunkte weiterhin eine Rolle in der Verteidigung der südostasiatischen Region zu spielen hätten. Sachzwänge und Kompromißbereitschaft forderten ihren Tribut, so daß als eines der wesentlichen Resultate des ersten Tages nur festzuhalten ist, daß die befürchteten Zwischenfälle ausblieben. Offenbleiben wird, ob der Gipfel nicht schon bald zum politischen Tagesgeschehen überrundet wird, oder, wie es die lokale Presse sinngemäß formulierte, ob die Wurzeln der Pflanzen, die den Gipfel überwuchern werden, schon gewachsen sind.

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