Mangelnde Zustimmung für Klimaschutzgesetz: Wahlkampf killt das Klima
Jetzt schießt sich auch die SPD auf das ambitionierte Projekt von Senatorin Lompscher ein. Drei Abgeordnete und ein Bundestagskandidat verweigern die Zustimmung - damit hätte das Gesetz keine Mehrheit.
Drei SPD-Abgeordnete aus Marzahn-Hellersdorf rebellieren gegen das geplante Klimaschutzgesetz von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke). "Wir lehnen eine Belastung von Hauseigentümern und Mietern durch das Gesetz ab", heißt es in einer Erklärung von Sven Kohlmeier, Liane Ollech und Günther Krug vom Dienstag. Klimaschutz lasse "sich nicht mit Zwang, Verboten und Bußgeldern durchsetzen, vielmehr müssen finanzielle Anreize geschaffen werden". Wenn die drei bei ihrer Linie bleiben, bedeutet das das Aus für das Gesetz - die Koalition aus SPD und Linken hat im Abgeordnetenhaus lediglich eine Mehrheit von zwei Stimmen. Auch der SPD-Direktkandidat in Marzahn-Hellersdorf kritisiert den Entwurf: Die Umweltsenatorin verfolge damit "eine mieterfeindliche Politik und hebelt den sozialen Wohnungsbau aus", so Rudi Kujath. Er tritt bei der Bundestagswahl in knapp vier Wochen gegen die Wahlkreisgewinnerin Petra Pau (Linke) an.
Der Entwurf für ein Klimaschutzgesetz verpflichtet die Mehrheit der Hausbesitzer zu Investitionen in den Klimaschutz (siehe Kasten). Die Kosten dafür können auf die Mieter umgelegt werden. Bis Montag dieser Woche legten verschiedene Verbände ihre Stellungnahmen vor. Unternehmer und Vermieter lehnen das Gesetz ab, dem Bund für Umwelt und Naturschutz geht es dagegen nicht weit genug. Im nächsten Schritt soll das Gesetz im Senat beraten werden. Die endgültige Entscheidung fällt dann im Abgeordnetenhaus - erfahrungsgemäß wird es bis dahin noch einige Monate dauern.
Pflicht zum Klimaschutz: 40 Prozent aller CO2-Emissionen werden durch das Heizen von Gebäuden verursacht. Hier schlummern mit die größten Potenziale für Klimaschützer. Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) will daher eine Klimaschutzpflicht für bestehende Häuser einführen. Das soll für alle Gebäude gelten, die mehr als 50 Quadratmeter Fläche haben - egal ob Wohnhäuser, Fabriken oder Geschäftshäuser. Die Pflicht gilt, sobald die Heizungsanlage älter als 20 Jahre ist oder wenn ohnehin gerade eine Zentralheizung in ein Haus eingebaut wird.
Erneuerbare Energien: Um die Klimaschutzpflicht zu erfüllen, muss das Heizwasser teilweise mit erneuerbaren Energien erhitzt werden. Das ist der Fall, wenn 10 Prozent der Energie aus Solarkollektoren kommt oder 30 Prozent aus Biogas oder 50 Prozent aus Biomasse, Geothermie oder Umweltwärme.
Alternativen: Wer das Haus nicht mit erneuerbaren Energien beheizt, kann es auch an das Fernwärmenetz oder eine dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlage anschließen oder es bis auf Niedrigenergiestandard dämmen.
Auch bei den anderen SPD-Abgeordneten gibt es Kritik an dem Gesetzesentwurf. "Der muss noch deutlich verbessert werden", sagt der Umweltpolitiker Daniel Buchholz. Dies sei die Mehrheitsmeinung in der Fraktion. "Insbesondere die finanziellen Folgen müssen vorher konkret abgeschätzt werden." Der Verband der Wohnungsbesitzer geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass die Warmmieten in Berlin durch das Gesetz "um bis zu 10 Prozent und mehr steigen". Buchholz vermutet, dass die Zahl tatsächlich niedriger liegt. "Wir arbeiten noch an der Folgekostenschätzung", sagt Lompschers Sprecherin Marie-Luise Dittmar. "Wir sitzen ja noch an dem Gesetz, das war jetzt der erste Entwurf. Und konstruktive Kritik in so einer Phase ist immer gut." Klar ist dabei allerdings für sie: "Klimaschutz wird es nicht zum Nulltarif geben, sonst wird es irgendwann noch teurer." Auch Buchholz betont: "Die Mieter müssen bedenken, dass eine Haussanierung nicht nur zu geringeren Heizkosten führt, sondern es sich darin auch besser leben lässt." Und zwar nicht nur, weil es dann in der Wohnung nicht mehr zieht: Ein Haus wird bei einer Sanierung schließlich in der Regel komplett modernisiert.
Die drei SPD-Abweichler aus Marzahn-Hellersdorf halten dagegen: "Die Warmmiete darf durch das Gesetz nicht steigen", sagt Kohlmeier. Und wenn die Sanierung sich dann nicht lohnt? "Dann muss das Land Fördermittel bereitstellen", sagt Kohlmeier. Und wenn es dafür im Haushalt kein Geld gibt? "Dann gibt es eben kein Klimaschutzgesetz. Wenn die Politik das will, dann muss sie dafür auch zahlen."
Vor allem will Kohlmeier allein auf finanzielle Förderung setzen. Einzelne Hausbesitzer sollen also nicht verpflichtet werden, ihr Haus umzurüsten. "Ich glaube, dass man Klimaschutz nicht mit Zwang durchsetzen kann." Die Debatte über das Gesetz ist damit wieder völlig offen.
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