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Mangelnde VorsorgeUnsicheres Atomkraftwerk

Kein Schutz gegen Hochwasser, Angriffe und Altersmängel - Umweltminister Sander müsse den Reaktor in Esenshamm stilllegen, fordern Initiativen und Grüne.

Auch den Aktivisten von Greenpeace ist das alte Atomkraftwerk Unterweser zu unsicher. Bild: dpa

Zwei Tage nach der Greenpeace-Aktion auf der Reaktorkuppel des AKW Unterweser / Esenshamm haben Bürgerinitiativen und die niedersächsischen Grünen schwere Vorwürfe gegen das Umweltministerium in Hannover erhoben. Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) täusche die Öffentlichkeit seit Jahren über eklatante Sicherheitsmängel des AKW in Esenshamm und lasse der Betreiberfirma Eon freie Hand. Sander müsse "Auflagen erteilen, die Sicherheitsrisiken unverzüglich zu beseitigen", andernfalls sei "die Betriebserlaubnis in Frage zu stellen und gegebenenfalls zu entziehen", forderte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel.

Mehrere Gutachten, erstellt im Auftrag der Bürgerinitiativen "Aktion Z" und "Arbeitskreis Wesermarsch", haben gravierende Sicherheitsrisiken nachgewiesen. So ist der Deich, der das AKW schützen soll, gerade einmal vier Zentimeter höher als das Bemessungshochwasser. Allein durch Wellenschlag sei mit zusätzlichen 75 Zentimetern zu rechnen, führte die Physikerin Oda Becker aus. Die Abschottung der Gebäude habe in der Vergangenheit bereits versagt. Bei Hochwasser oder Deichbruch bestehe die Gefahr einer Kernschmelze mit Freisetzung radioaktiver Stoffe, sagte Becker. Ähnlich sieht es dem Physiker Wolfgang Neumann zufolge bei einem Angriff auf den Atommeiler aus.

Unterweser, 1979 ans Netz gegangen, gehört zur ältesten AKW-Generation. Seine dünne Schutzhülle würde weder einem Flugzeugabsturz noch einem Beschuss standhalten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen Atomkraftwerke gegen alle vorstellbaren Unfallabläufe geschützt sein. Neumann warf dem Umweltministerium vor, auch das Alterungsproblem der Anlage zu ignorieren. So habe es nicht einmal das von der Reaktorsicherheitskommission schon 2004 geforderte Alterungsmanagement durchgesetzt, auf jährliche Berichte dazu verzichte es. Warnungen eines Herstellers vor Altersschäden an wichtigen Kabeln sei die Atomaufsicht 13 Jahre lang nicht nachgegangen. Der Austausch der Kabel gehe nur schleppend voran.

Bürgerinitiativen-Sprecher Hans-Otto Meyer-Ott kündigte an, eine Stilllegung des Kraftwerks zur Not einzuklagen. "Wir sind nicht bereit, die Untätigkeit der Landesregierung noch länger hinzunehmen."

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