Manfred Kriener über selbstfahrende Autos: Das falsche Gerät
Für das selbstfahrende Auto müssen die alten Verkehrsvorschriften abgewickelt werden. Dort heißt es: Der Fahrer muss jederzeit die Kontrolle über sein Auto haben. Das passt nicht mehr zu Datenautowahn und Herrschaft des Autopiloten. Statt des Fahrers sollen künftig Computer und Internet, Apple, Google oder Sony die Kontrolle übernehmen. Der Fahrer wird entmachtet. Dass die Rechtslage angepasst wird, ist dabei noch das geringste Problem. Die ethischen Fragen sind weit größer. Soll die Maschine tatsächlich Herr über Leben und Tod sein? Wie wird sie entscheiden, wenn Kinder auf die Fahrbahn laufen? Ausweichen auf die Gegenfahrbahn, wo sich ein Lkw nähert, oder die Kinder totfahren?
Eine andere große Frage: Wird sich der Autofahrer überhaupt entmachten lassen? Die Konzerne tun so, als sei das selbstfahrende Auto der Traum jedes Fahrers, der nur darauf wartet, dass ihm die Elektronik das Steuer aus der Hand reißt. Einparken helfen ist okay. Im Stau ein Nickerchen – warum nicht. Aber sonst? Autofahren, das heißt auch: Regression des Ichs, Aggression, Geschwindigkeitsrausch. Autofahren vermittelt Herrschafts-, Macht- und Glücksgefühle. Sonst kann ich mich ja gleich in den Zug setzen, der fährt auch automatisch.
Warum soll ich mir einen 400-PS-Boliden kaufen, wenn ich ihn nicht mal selber fahre? Und was mache ich die ganze Zeit festgeschnallt und nutzlos im Autositz? Das selbstfahrende Auto bleibt eine technisch-ideologische Glücksverheißung ohne viel Substanz. Der Lkw-Fahrer profitiert davon auf endlosen öden Fahrten, aber der „passionierte“ Autofahrer wird zum Landschaftsgucker amputiert.
Wie sagte doch der Technikkritiker Marcel Hänggi: „Wenn das Gerät Auto zu gefährlich ist, um von Menschen mitten unter Menschen bedient zu werden – dann braucht es vielleicht nicht in erster Linie eine weitere technische Aufrüstung. Dann ist es vermutlich einfach das falsche Gerät!“
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