: Manchmal fast eine Unschuld
Bob Dylan-Geburtstag: Das Abaton feiert mit drei Filmen in den 60. ■ Von Georg Felix Harsch
Der Literatur-Nobelpreis wurde Bob Dylan letztes Jahr dann zwar doch nicht verliehen, aber die En-tertainment-Welt wollte es sich nicht nehmen lassen, ihm als Ersatz wenigstens einen Oscar zu verleihen. Zwar nur für den besten Song im Soundtrack zu Die Wonderboys, und nicht, wie in der allgemeinen Dylan-Verehrungs-Hysterie anlässlich seines 60. Geburtstags zu erwarten gewesen wäre, für sein Lebenswerk. Aber gleichwohl sollte dieser Preis die Bedeutung unterstreichen, die Dylan für den amerikanischen Film seit 1967 hat.
Damals hatte D. A. Pennebaker mit Don't Look Back, dem Film über Dylans '65er-Tournee durch Großbritannien, immerhin das Rockumentary erfunden. Ein bekanntlich eher zweifelhaftes Genre in der Filmgeschichte, das mit Martin Scorseses The Last Waltz, wieder unter Mitwirkung von Bob Dylan, einen Höhepunkt fand, der auch als Matritze für Persiflagen wie This is Spinal Tap von Bedeutung ist. Pennebakers Film fällt ebenfalls, vor allem nach Ansicht von Gelehrten aus dem Umfeld des internationalen Dylan-Deutertums, die Erfindung des Musik-Videos zu: In der ersten Einstellung steht der Noch-Gitarrenfolkie in einem Londoner Hinterhof zusammen mit Allen Ginsberg und lässt zu „Subterranean Homesick Blues“ Pappschilder mit Stichworten aus dem Songtext fallen. Ja, ja, der Pionier, das Original, das Chamäleon etc. p.p.
Für eine Würdigung von Dylans Verdiensten ums Visuell-Musikalische ist in Hamburg natürlich das Abaton als 70er-Jahre-sozialisierte Kinoinstitution zuständig und erfüllt diese Obligation prompt. Wer will, kann in den Geburtstag des Nölers mit sieben Stunden Kino reinfeiern. Der Tag beginnt mit den Wonderboys, in dem man nicht nur den Oscar-prämierten Song „Things Have Changed“ hören kann. Als Analogie auf Dylans Tätigkeit in den letzten zwanzig Jahren, also auch auf seine „Never Ending World Tour“, kann man die Geschichte vom ehemaligen Wunderkind der Literaturszene verstehen, das seit zehn Jahren und Tausenden von Manuskriptseiten an seinem zweiten Roman schreibt, ohne auch nur in die Nähe eines Endes zu kommen.
Warum vor 25 Jahren der Rockzirkus der 70er gekippt werden musste, lässt sich dann in The Last Waltz noch einmal nachvollziehen. Das Abschiedskonzert von The Band, Dylans ehemaliger Backing-Band, gerät vor Scorseses Kamera zu einem großen Auflauf vor allem der üblichen Verdächtigen. Eric Clapton, Neil Young, Van Morrison, Ron Wood und natürlich Bob selbst drängeln sich auf die Bühne, singen und spielen zusammen oder alleine und geben enigmatische Interview-Statements ab. Als Quotenfrau wurde dann später noch Emmylou Harris in den fertigen Film hineingeschnitten, während die vielzitierte Rotz-Koks-Mischung, die aus Neil Youngs Nase quillt, den Film wieder verlassen musste. Besonders amüsant ist die Irritation des Publikums und vieler Beteiligter ob des überraschenden Auftauchens von Neil Diamond, und Ringo Starr begeistert in der Rolle eines verschüchterten kleinen Jungen.
Bob Dylan als Bob Dylan als Alias, die messerwerfende Western-Figur in Pat Garrett jagt Billy the Kid schließt dann das Kinoereignis ab und erinnert die ZuschauerInnen daran, wie hübsch der Künstler als junger Mann war. Obwohl oder weil er hier nur insgesamt fünf Sätze zu sagen hat, spiegelt die Rolle des Alias Dylans Popstar-Selbstinszenierung als ambivalenter Drifter so genau, dass man in der kurzen Film-Zeit, die ihm gewidmet ist, glatt vergessen könnte, dass man einen Sam Pe-ckinpah-Western sieht. Aber Ambivalenz hin oder her, unter den dreckigen, fiesen Männern, die hier das Personal ausmachen, erscheint Bob/Alias trotz seines Hillbilly-Hutes fast als Verkörperung der Unschuld.
In diesem Geburtstagsstrauß fehlt also nur Don't Look Back, und das ist schade. Könnte man doch daran nochmal überprüfen, woher so viele Ideen für Tim Robbins großartige Satire Bob Roberts kamen. Dessen rechtskonservativer Protagonist und Folksänger hatte dort schließlich einen Hit mit dem Titel „The Times They Are A-Changing Back“.
Mi, 23.5.: Die Wonderboys 17.30 Uhr; The Band – The Last Waltz 20 Uhr; Pat Garett jagt Billy the Kid 22.30 Uhr, Abaton
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