Managerköpfe rollen nach VW–Devisenskandal

■ Aber nach wie vor viele Fragezeichen: Schlamperei oder Kriminalität / Unmut in der Belegschaft: Verlorene 480 Millionen DM fehlen für soziale Sicherung

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Führende Köpfe bei der Volkswagen–AG, darunter ein Vorstandsmitglied, wurden fristlos gefeuert bzw. beurlaubt, nachdem in der vergangenen Woche bekannt geworden war, daß der Konzern durch eklatant falschen Umgang mit seinem Dollar– Devisenbestand 480 Millionen DM verloren hatte (taz v. 12.3.). Aber auch nach diesem Großreinemachen ist die Öffentlichkeit keinen Deut schlauer, ob es sich bei dem mißlichen Umgang mit Devisen um Schlamperei im Management oder um Wirtschaftskriminalität einzelner handelt, wie die Konzernspitze verlauten läßt. Inzwischen wurde neben der Braunschweiger Staatsanwaltschaft auch das Bundeskriminalamt in die Ermittlungen eingeschaltet. Vorstandsmitglied Rolf Selowsky, zuständig für die Konzernfinanzen, wurde mit sofortiger Wirkung von seinen Tätigkeiten entbunden. Sein Vertrag sollte ohnedies nicht über Mai hinaus verlängert werden. Burghard Junger, Leiter der Abteilung Devisenhandel, wurde fristlos gekündigt. Günther Borchert, Bereichsleiter Finanzverkehr, und Siegfried Müller, Hauptabteilungsleiter Geld– und Devisenclearing, sind bis auf weiteres beurlaubt. Ihnen allen wird die Schuld dafür angelastet, daß angeblich unbemerkt die Dollareingänge beim Kfz–Export nicht durch Termingeschäfte abgesichert worden seien, mithin den Dollarkursschwankungen schutzlos ausgeliefert worden seien. Die Öffentlichkeitsarbeit der Konzernspitze läuft auf den Verdacht krimineller Handlungen einzelner hinaus. Bislang ist allerdings nirgendwo erklärt worden, es habe sich irgendjemand persönlich bereichert. Die Erklärung des VW–Vorstandes gegenüber dem Handelsblatt vom 3.11.1986, in der man das Unterlassen einer Kurssicherung eingestanden hatte, deutet nach wie vor schlichtweg Schlamperei an - wobei damals noch nicht klar war, welche Dimensionen das ganze angesichts des Dollarkursverfalls annehmen würde. Auch die Tatsache, daß Finanzchef Selowsky bereits im vergangenen Jahr in die Schußlinie geraten war, paßt in dieses Bild. Denkbar ist schließlich auch, daß mit gefälschten Belegen diese Schlamperei vertuscht werden sollte, ohne daß jemand in die eigene Tasche gewirtschaftet hätte, und dieses nun als Wirtschaftsverbrechen eingestuft wird. VW–Aufsichtsratsvorsitzender Rathjen räumt zumindest ein, daß es sich teilweise um Mißmanagement gehandelt habe: Von den 480 Millionen DM Verlust - immerhin Dimensionen, die mit dem Konzerngewinn eines Jahres vergleichbar sind - wären 70 bis 80 Millionen auf die „Nichtbeachtung interner Anweisungen“ zurückzuführen, der Löwenanteil von 400 Millionen aber auf kriminelle Handlungen. Wie der Spiegel berichtet, seien VW–Emissäre im Februar zur Frankfurter Repräsentanz der ungarischen Nationalbank gegangen, um den Vertrag über ein Devisentermingeschäft einzulösen. Die erstaunten Mayaren erklärten bei der Gelegenheit, sie wüßten nichts von einem Vertrag. Die Belege, mit denen VW angerückt war, stellten sich laut Spiegel als Fälschungen heraus. VW–Chef Hahn forderte in weiser Voraussicht seit langem vergeblich die Installierung eines Finanz–Controllerpostens beim Vorstand. Ein Sprecher des Gesamtbetriebsrates berichtete gegenüber der taz von einem wachsenden Unmut in der Belegschaft. Die Kollegen seien erzürnt darüber, daß durch den gigantischen finanziellen Verlust Mittel abhanden gekommen seien, die sinnvollerweise zur sozialen Sicherung hätten eingesetzt werden können. In der Tat: Wenn man von 200.000 Mitarbeitern ausgeht, so hätte jedem immerhin eine Sonderzahlung von knappen 2.500 DM ausbezahlt werden können, solche Rechnungen wolle der Betriebsrat allerdings nicht übernehmen. Schlimmer noch als das Geld sei jedoch die internationale Rufschädigung des Konzerns. Man fordere jedoch vorerst keine weiteren personellen Konsequenzen (wie in der vergangenen Woche), sondern zunächst rückhaltlose Aufklärung des Ganzen. Bundesfinanzminister Stoltenberg hat inzwischen angekündigt, daß der geplante Verkauf des bundeseigenen VW–Anteils wohl verschoben werden müsse. Wohl wahr: Da müßte die Bundesregierung wohl zunächst gehörige Summen zur Kurspflege der zur Zeit darniederliegenden VW–Aktie verwenden, um sich kein gigantisches Verlustgeschäft einzuhandeln.