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“Man muß die Menschen in Ruhe lassen

■ Gespräch mit Mohamed Osman über die ökologische Krise im Sudan

Vom 7. bis 9. März fand in Bremen die Tagung „Ökologische Zerstörung in Afrika und Alternative Strategien“ statt. Eingeladen hatte das Bremer „Informationszentrum Afrika“ (IZA). Die taz sprach mit dem Berliner Referenten Mohamed Osman. Der ägyptische Sozialökonom und Journalist ist Autor des im Bremer CON-Verlag erschienenen Buches „Verwüstung. Die Zerstörung von Kulturland am Beispiel Sudan.“

taz: Was erhofften Sie von der Tagung?

Mohamed Osman: Wissenschaftliche Impulse und Hilfe. Denn es gibt in der BRD kaum eine Stadt, die sich so wie Bremen für die Rechte der Menschen in der Dritten Welt einsetzt.

Was für Hilfen könnten von Bremen ausgehen?

Man könnte beschließen, daß eine unabhängige Organisation gebildet wird, die mit den alternativen afrikanischen Wissenschaftlern zusammenarbeitet, damit diese vor Angriffen seitens der Regierung geschützt werden.

Vor welchen Angriffen?

Die Regierung hat ihre eigenen Wissenschaftler. Alle anderen werden an den Rand geschoben und haben große Schwierigkeiten zu veröffentlichen. Engagierte westliche Wissenschaftler sollten ihnen helfen. Denn unser Problem, die ökologische Krise, ist inzwischen ein internationales Problem geworden.

Bei uns gibt es verschiedene Initiativen, die sich für den Boykott von Exportgütern, z.B. von Tropenhölzern, einsetzen. Kann das nutzen?

Ja natürlich. Das ist die einzige Alternative, denn man muß die Menschen in Ruhe lassen. Wir brauchen mindestens 25 Jahre, um unsere Probleme zu lösen. In dieser Zeit darf nichts exportiert werden. Besonders damit sich die ausgelaugten Böden erholen können.

Offizielle Stellen bei uns sagen, die Probleme im Sudan seien auf die Bevölkerungspolitik zurückzuführen. Was halten sie von Familienplanungs-Projekten?

Das ist alles Quatsch. Das sind solche westlichen Rezepte, die mit Hilfe der Weltbank entstehen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob diese Leute wirklich keine Ahnung haben, oder ob sie das absichtlich machen, um das Gebiet dort gänzlich zu zerstören.

Der Sudan ist zehn mal so groß wie die Bundesrepublik. In der Bundesrepublik leben 65 Millionen Menschen, im Sudan nur 22 Millionen. Die Sudanesen haben außerdem keine Ansprüche, sie sind einfache Menschen, die auf dem Boden schlafen und sogar Gras essen. Die Bevölkerungsexplosion ist nicht unser Problem.

Wie kam es Ihrer Ansicht nach zur ökologischen Katastrophe?

Das Problem bei uns begann durch die Orientierung auf den Weltmarkt während der Kolonialzeit. Die Afrikaner haben vorher mit der Natur gelebt. Sie wußten genau, wann es mehr oder weniger Regen gab, sie hatten einen direkten Kontakt zur Natur. Und sie haben nur für ihren eigenen Bedarf produziert. Nachdem aber die Engländer und Franzosen eine Elite in der Gesellschaft geschaffen hatten, die auf Kosten der anderen lebte und lebt, wollten einige reich werden. Sie wollten nicht nur eine Kuh sondern 100 Kühe oder mehr. Dann kam die Verschuldung hinzu und der Exportzwang. Wohin die ganzen Milliarden geflossen sind, weiß allerdings kein Afrikaner.

Gibt es im Sudan Projekte, die unabhängig von der Regierung neue Lösungswege suchen?

Nein. Bei uns gibt es dafür keinerlei Möglichkeiten. Die Menschen im Sudan befinden sich in einer unglaublichen Situation. Sie müssen einmal in so ein Hunger- oder Krisengebiet reisen. Die Menschen suchen irgendwas zu essen und denken an nichts anderes. In dieser hoffnungslosen Situation haben sie keine Chance.

Was für eine Alternative sehen Sie denn überhaupt für das Land?

Man muß erstens den Wissenschaftlern die Möglichkeit geben, ein Konzept auszuarbeiten gegen die Hungerkatastrophe. Als zweites muß das Erziehungssystem geändert werden mit dem Ziel, daß es zukünftige Spezialisten auf ökologischen Gebiet hervorbringt.

Interview: Birgit Ziegenhagen

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