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Mammographie-ScreeningDiagnose Brustkrebs

Frauen sollen über Vor- und Nachteile des Screenings ausgewogen aufgeklärt werden. Bei den Nachteilen ist das offizielle Merkblatt jedoch noch verbesserungswürdig.

Die Angst vor einem positiven Befund beim Mammographie-Screening ist groß. Bild: ap

HAMBURG taz | Alle Frauen im Alter von 50 bis 69 erhalten hierzulande alle zwei Jahre unaufgefordert Post: Eine "Zentrale Stelle" lädt sie ein, am Mammographie-Screening-Programm teilzunehmen. Ziel der freiwilligen, für die 10,4 Millionen Adressatinnen kostenlosen Röntgenuntersuchung der Brust sei es, "möglichst früh erste Anzeichen von Brustkrebs zu entdecken", steht im Musterbrief der Kooperationsgemeinschaft Mammographie. "Eine frühe Erkennung", heißt es weiter, "verbessert die Heilungschancen und ermöglicht eine schonende Behandlung."

Geröntgt wird in ausgewählten, zertifizierten Praxen. Dass die Reihenuntersuchung nicht nur Vorteile haben kann, sondern auch Nachteile, erfährt indes nur, wer das Merkblatt "Informationen zum Mammographie-Screening" aufmerksam liest, das dem Einladungsbrief beiliegen muss.

Als "Nachteil" nennt das Merkblatt zum Beispiel: "… wenn ein Tumor gefunden und behandelt wird, der niemals Probleme bereitet hätte". Oder wenn ein auffälliger Befund, der sich nach einer weiteren Untersuchung als unbegründet herausstellt, eine gescreente Frau beunruhigt -"insbesondere wenn Gewebe entnommen wird, das sich nachträglich als gutartig herausstellt".

Herausgeber dieser prägnanten Publikation ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von ÄrztInnen und Kassen, der hierzulande den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) festlegt. Das Merkblatt, offiziell eingeführt im Mai 2010, sei zwar "ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem alten Infoblatt", sagt die Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser. Die Hamburger Professorin, bekannt als Kritikerin des 2005 gestarteten Screening-Programms, sieht aber auch in der neu bearbeiteten Version viel Nachbesserungsbedarf.

Als "in höchstem Maße irreführend" kritisiert Mühlhauser den Satz: "Ziel der Untersuchung ist es, Brustkrebs möglichst früh zu entdecken, um ihn noch erfolgreich behandeln zu können." Diese Formulierung lege nämlich nahe, dass nur ein früh entdeckter Brustkrebs erfolgreich behandelt werden könne. Dies treffe aber nicht zu: "Die meisten Frauen, bei denen Brustkrebs diagnostiziert wird", so Mühlhauser, "sterben nicht an Brustkrebs - auch wenn es kein Mammographie-Screening gibt."

"Nicht deutlich" werde im Merkblatt, dass mit der Reihenuntersuchung "vor allem gutartige Tumore entdeckt" werden. Diese hätten aber oft auch dann eine gute Prognose, wenn sie erst später entdeckt würden. Die Entdeckung bösartiger Tumore könnten durch das Screening "vermutlich kaum beeinflusst werden", sagt Mühlhauser.

Unter der Überschrift "Was haben Sie konkret zu erwarten?" nennt das aktualisierte Merkblatt reichlich Zahlen. Von 200 Frauen, die ihre Brust binnen 20 Jahren jedes zweite Jahr röntgen ließen, würden 60 irgendwann einen verdächtigen Befund bekommen.

Bei einer ergänzenden Untersuchung, mit zusätzlichen Röntgen- oder Ultraschallaufnahmen, gebe es für 40 dieser 60 Frauen "Entwarnung". Den anderen 20 werde empfohlen, sich eine Gewebeprobe entnehmen zu lassen. Deren Analyse führe in jedem zweiten Fall, also bei 10 Frauen, zur Diagnose Brustkrebs.

Von den übrigen 190 Frauen würde in 20 Jahren bei 3 weiteren Brustkrebs festgestellt, und zwar "zwischen zwei Screening-Runden". Von den also insgesamt 13 Brustkrebspatientinnen würden 3 an dieser Erkrankung sterben. Von den überlebenden 10 wären 8 Frauen "auch ohne Teilnahme am Mammographie-Screening-Programm erfolgreich behandelt worden"; eine Frau hätte zu Lebzeiten gar "nichts von ihrem Brustkrebs erfahren". Die Darstellung der Zahlen endet mit dem Satz: "Eine von 200 Frauen wird dank ihrer regelmäßigen Teilnahme vor dem Tod durch Brustkrebs bewahrt."

Laut Merkblatt "beruhen" die Zahlen auf wissenschaftlichen Untersuchungen und Erfahrungen aus anderen Ländern. Mühlhauser verweist dagegen auf einen 2006 publizierten "Cochrane Review". Diese Metaanalyse von sieben Studien zum Mammographie-Screening mit insgesamt 500.000 Teilnehmerinnen kam zu dem Schluss, dass durch Screening binnen zehn Jahren nur eine von 2.000 Frauen weniger an Brustkrebs sterbe.

Die im G-BA-Merkblatt veröffentlichten "Kennzahlen" vermitteln "tendenziell ein optimistisches, aber noch realistisches Bild", schreibt der vom G-BA beauftragte Autor Christian Weymayr - dies allerdings nicht in besagtem Merkblatt, sondern in einer Dokumentation für die Kooperationsgemeinschaft Mammographie, die sich vornehmlich an Fachleute und Medien richtet.

Auf Basis und durch Vergleich diverser Studien und Metaanalysen, darunter auch der "Cochrane Review" und eine frühere Veröffentlichung Mühlhausers, seien die Zahlen "nicht streng mathematisch ermittelt, sondern abgeschätzt" worden, erläutert Wissenschaftspublizist Weymayr.

Die so modellierten "Kennzahlen Mammographie-Screening" sollten JournalistInnen regelmäßig in Berichten über das Programm "verwenden", forderten 13 Fachleute in einem gemeinsamen Brief, der Deutschlands Redaktionen im Februar erreichte und seitdem auf der Website der Kooperationsgemeinschaft steht.

Es gibt auch Screening-Befürworterinnen, die mit Zahlen sparsamer umgehen. Zum Beispiel die Radiologieprofessorin Ingrid Schreer; Anfang Oktober, beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, erklärte sie: "Erst nach einer Laufzeit von zehn Jahren und mehr wird eine Aussage zum gewünschten Effekt, das heißt der Reduktion der Brustkrebssterblichkeit, möglich sein."

Frühe Krebsstadien mittels Screening aufzuspüren, reiche nicht aus. "Es müssen die frühen, aggressiven Krebse entdeckt werden", fordert die Röntgenexpertin. Allerdings sei dies methodisch derzeit nicht möglich: "Das Problem jedoch ist", so Schreer, "dass dafür bisher keine Test- oder Vorhersagemöglichkeiten der individuellen Tumorbiologie existieren."

Die seit Mai geltende, geänderte "Krebsfrüherkennungs-Richtlinie" verlangt, dass mit der Einladung zum Screening das neue Merkblatt verschickt wird, dessen "Zahlenbeispiel" vom G-BA-Vorsitzenden Rainer Hess als "erheblicher Fortschritt in der Risikokommunikation" gelobt wird. In der Praxis kursiert aber außerdem immer noch die Vorgängerversion, der Hess "Defizite vor allem im Sprachduktus und in der ausgewogenen Darstellung der Vor- und Nachteile" bescheinigt hat.

Das Verbreiten alter Merkblätter soll aber solange zulässig sein, bis die Restauflage verbraucht ist, meint die G-BA-Kommunikationschefin Kristine Reis-Steinert - "in Hinblick auf das Erfordernis, dass der G-BA verantwortungsvoll mit GKV-Geldern umgeht".

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6 Kommentare

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  • M
    Mühlhauser

    Korrektur.

    Es muss heißen ....würden von 100 Frauen statt 4 nur 3,5 an Brustkrebs sterben....

  • M
    Mühlhauser

    Guten Tag Stefan!

    Sie haben Recht, es ist eine Werteentscheidung. Die Frage ist, um wessen Werte es sich handelt.

    Es ist ein ethisch verbrieftes Recht der einzelnen Frau dies selbst zu entscheiden (sofern das Screening überhaupt angeboten bzw. von der GKV bezahlt wird - wie in Deutschland). Dazu brauchen die Frauen aber ehrliche Informationen, die sie auch verstehen können.

    Wenn man für die Nutzenbewertung den Cochrane Review zugrunde legt bedeutet das Folgendes:

    Mit Screening stirbt von 2000 Frauen zwischen 50 bis 69 Jahren in 10 Jahren eine Frau weniger an Brustkrebs. Die Gesamtkrebssterblichkeit bleibt gleich.

     

    Gleichzeitig erhalten etwa 10 dieser 2000 Frauen eine Brustkrebsdiagnose und Behandlung, die sie ohne Screening nicht erhalten hätten (sog. Überdiagnosen und Übertherapien).

    Jede 5. Frau erhält im Verlaufe von 10 Jahren (5 Screening-Runden) mindestens einen Verdachtsbefund.

     

    Bezogen auf Deutschland, auf die etwa 10 Millionen Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren, für die das Mammografie-Screening vorgesehen ist, bedeutet dies Folgendes:

    Durch Screening über 10 Jahre hätten jährlich etwa 500 Frauen eine Lebensverlängerung,

    5000 Frauen jährlich erhielten jedoch ungerechtfertigt eine Brustkrebsdiagnose und Behandlung und 200.000 Frauen jährlich müssten mit mindestens einem weiter abklärungsbedürftigen Befund rechnen.

    Von 100 Frauen sterben in Deutschland 24 Frauen an Krebs, davon 4 an Brustkrebs.

    Bei einer optimistischen Annahme, dass durch das Screening die Brustkrebssterblichkeit um 25% vermindert werden kann, würden von 100 Frauen statt 4 nur 3 an Brustkrebs sterben. 97 der 100 Frauen haben keinen Nutzen oder nur Schaden.

    Die Kosten für das Screening sollen sich auf etwa 200 Mio. Euro pro Jahr belaufen.

    Es ist tatsächlich eine Werteentscheidung, auch eine der Gesellschaft insgesamt.

    Ingrid Mühlhauser

  • DR
    Dr. Rainer Weidner

    Als „Programmverantwortlicher Arzt“ im Mammographiescreening und TAZ Abonnent, eins privat und eins für die Praxis, werde ich durch Artikel wie „Diagnose Brustkrebs“ direkt angesprochen. Spontan frage ich mich: Recherchieren die immer so? Nichts an dem Inhalt ist mir unbekannt, eben eines jener Dokumente, wo jeder bei jedem abschreibt. Schon im zweiten Absatz „Nachteile“, es geht weiter mit „Irreführung“ , „Cochrane Review“ und distanzierendem herabsetzenden Stil. So etwas lässt sich offenbar besser verkaufen, als mühsam recherchierte fundierte Information. Sie liefern einen Betrag zu einem heiklen Thema und positionieren sich sehr unglücklich. Die Menschen sollten Wissen, was da passiert, diese Information wird aber durch solche "Nörgelartikel" unterdrückt, deshalb schreibe ich als Beteiligter und nehme Ihnen etwas die Arbeit ab:

     

    Gesellschaftliche Aufgabe „Brustkrebs“ – Was tun?

     

    Mehr als 10% unserer Frauen erkranken im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs, dem häufigsten bösartigen Tumor der Frauen. Ignoriert werden konnte dieses Elend nie. Wohl jeder von uns hat eine Verwandte, Bekannte oder Freundin, die betroffen ist. Vor dem Screening, auch heute noch, wurden zehntausende, unkontrollierte Mammografien z.B. im Rahmen der gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen außerhalb des Screenings, ohne medizinische Indikation, angeordnet. Obwohl es unsere Gesetze verbieten, stört es niemanden. Ärzte fühlen sich verpflichtet, irgendetwas zu tun. Gesunde Frauen dürfen in Deutschland nur im Rahmen eines gesetzlichen Früherkennungsprogrammes einer Röntgenuntersuchung unterzogen werden. Der gut gemeinte Ungehorsam könnte strafbar sein.

     

     

    Vor gut 10 Jahren erreichte die Forderung von Frauenverbänden in Deutschland nach einer wirkungsvollen legalen Früherkennung ihren Höhepunkt. Zudem war die Qualität der Brustdiagnostik ins Visier geraten: Schlechte Bilder, falsche Diagnosen, verschleppte Tumoren und am Ende verstümmelnde Operationen mit schlechter Prognose waren die Vorwürfe. „In Holland läuft alles viel besser“ war die Message verärgerter Frauenverbände. Dort gab es bereits seit Jahren eine systematische, sehr erfolgreiche Brustkrebsfrüherkennung. Es bildeten sich Fahrgemeinschaften deutscher Frauen, die sich z.B. in Nijmegen mit Unterstützung der AOK untersuchen ließen.

     

    2002 war es dann so weit, der Bundestag beschloss, nicht ohne öffentlichen Druck, das bundesweite Mammographiescreening, dass danach mit deutscher Gründlichkeit umgesetzt wurde. Der Berufsverband der Radiologen attackierte die Einführung des Screening, scheiterte mit einer eigenen „freiwilligen“ Qualitätsinitiative und dem Verkauf von Zertifikaten. Nicht die Ärzte, Patientinnen und Betroffene haben für die Einführung dieses Screenings gesorgt.

     

    Zunächst wurden Qualitätsstandards für Maschinen, Personal, Ärzte, Behandlung und den gesamten Prozess definiert und ein stringenter Kontrollmechanismus installiert (Nachzulesen im Bundesmantelvertrag). Das hat bei den Ärzten keineswegs nur Zustimmung gefunden. Erfolg:

    1. Die alten Röntgen“möhrchen“ sind aus den Praxen eliminiert worden. Stattdessen wurde das Screening zu fast 100% mit modernsten digitalen Geräten ausgerüstet. Effekt: weniger Strahlenbelastung und eine sprunghaft verbesserte, sehr hohe Bildqualität, mit der man auch etwas anfangen kann.

    2. Ausbildung der Röntgenassistentinnen in speziellen Ausbildungszentren. Abweichungen von den Qualitätsnormen für Aufnahmen werden in nur sehr geringem Umfang toleriert. Das Zertifikat haben einige MTRA´s nicht erhalten. Im Screening werden perfekte Aufnahmen von Spitzenpersonal erstellt.

    3. Tägliche Testaufnahmen von den Aufnahmegeräten werden zur Freigabe an Physiker der Referenzzentren geschickt. Erst danach geht ein Gerät in Betrieb. Technische Aufnahmemängel werden so weitgehend ausgeschlossen.

    4. Programmverantwortliche Ärzte und Befunder haben sich ebenfalls einer speziellen Ausbildung zu unterziehen und werden alljährlich in den Referenzzentren geprüft. Sie befunden jeder jährlich zwischen 5.000 und 20.000 Untersuchungen und verfügen in kurzer Zeit über ein riesiges Erfahrungspotential und große diagnostische Sicherheit.

    5. Niedergelassene Diagnostiker und Krankenhausärztinnen werden zur Zusammenarbeit gezwungen: Wöchentliche gemeinsame Konferenzen und Fallbesprechungen. Das hat es zuvor nicht gegeben. Und es funktioniert.

     

    Es kam zu einem wahrhaft revolutionärem Umbruch in der täglichen Praxis:

     

    1. Klare einheitliche Sprache, hat phantasievolle, bedeutungsschwangere, individuelle Wortschöpfungen ersetzt. Schwammige Befunde, die in Kontrollempfehlungen in kurzen Abständen mündeten, waren mit einem Schlag beseitigt. Der Screening-Befunder muß entscheiden, 1. ob eine Aufnahme hell oder dunkel ist und muß 2. die Entscheidung treffen, ob ein weiter abklärungsbedürftiger Befund vorliegt. Hier hat er noch 3 Kategorien zur Verfügung. Plötzlich verstehen alle, was gemeint ist. So einfach ist das.

    2. Diagnostische Klarheit für die Frauen. Frauen mit normalem oder gutartigem Befund werden ohne weitere invasive Maßnahme turnusgemäß in 2 Jahren erneut untersucht, ein abklärungsbedürftiger Befund dagegen sofort aufgeklärt. Gewebeproben werden mit dünnen Nadeln in örtlicher Betäubung sehr komfortabel gewonnen. Auf 2 bösartige, unter Ultraschall vom Screeningarzt gewonnene Proben darf er im Mittel maximal 1 gutartige Läsion biopsieren. Damit wird „Überdiagnostik“ wirkungsvoll eingeschränkt. Aber auch die Gewebeprobe der gutartigen Läsion ist nicht „unnötig“, die betroffene Frau weiß nun sicher, was sie da hat. Allein die Unsicherheit über letztendlich harmlose Röntgenbefunde hatte den Krankenhäusern vor Einführung dieser Methode im großen Umfang Aufträge für, zum Teil ausgedehnte aber letztlich nicht erforderliche Operationen an den Brüsten der Frauen beschert. Das hat sich drastisch zum Vorteil der Frauen verändert.

    3. Keine unnötigen Operationen mehr. Diagnostische Operationen sind absolute Ausnahme im Screening. Es werden ausschließlich bösartige Läsionen oder deren Vorstufen operiert. Die Diagnose wird fast immer vorher gestellt.

    4. Das Screening schafft Transparenz der Behandlung. Nur zertifizierte Brustzentren und Chirurgen werden Teilnehmerinnen im Screening empfohlen. Operationen werden dort nach Leitlinien durchgeführt. Die Behandlung im Brustzentrum wird im Detail durch das Screeningteam kontrolliert und in jedem Einzelfall besprochen. Das ist für Kranken-hausärzte eine völlig neue Situation und schafft auch für die behandelten Frauen und deren Ärzte eine bisher nicht gekannte Transparenz und Sicherheit. Die Ergebnisse dieser Kontrolle sind äußerst unterschiedlich, gelegentlich werden Krankenhäuser den Frauen wegen unzureichender Ergebnisse nicht mehr empfohlen.

    5. Zentrale Dokumentation. Alles – gefühlt jeder Handgriff – wird per Computer erfasst und auf zentralen Servern außerhalb der Screeningeinheiten unter Datenschutzrichtlinien gesichert. Lediglich die Bildarchive liegen bei den Erstellern. Digitale Bilder werden digital gesichert können beliebig dupliziert werden und gehen praktisch nicht mehr verloren. (Die alten Röntgentüten, die immer gesucht wurden, haben ausgedient). Das Programm wird permanent wissenschaftlich ausgewertet und begleitet.

     

    Nach wenigen Jahren Screening in Deutschland:

    50% der Anspruchsberechtigten nehmen landesweit am Screening teil, diejenigen, die noch am „grauen Screening“ teilnehmen sind nicht mitgerechnet und werden sicher mittelfristig gewonnen werden können.

     

    Das Verhältnis Große/Kleine entdeckte Tumoren hat sich innerhalb von nur 5 Jahren gewendet: Zwei Drittel der heute gefunden bösartigen Tumoren sind klein, im Stadium T1.

     

    In den Ländern mit der längsten Erfahrung sinkt die Sterblichkeit an Brustkrebs signifikant. Die Behandlung der Frauen wird schonender, brusterhaltend und differenzierter, es wird weniger Lebensqualität geopfert. Gutartige Befunde werden sicher als solche identifiziert und landen nicht mehr auf den OP-Tischen.

     

    Auch die Bedenkenträger und erklärten Gegner können sich der Kraft dieser Bewegung nicht entziehen und profitieren gleichermaßen. Wo wären wir heute ohne das Brustkrebs-Screening?

     

    Das Brustkrebs-Früherkennungs-Programm hat einen Qualitätsschub in der deutschen Brustdiagnostik in der Behandlung unserer Frauen ausgelöst. Das Gute: Es ist ein lernendes System, wir können noch einiges erwarten. Dieses Screening ist ein Segen für die Frauen. RW

  • S
    Susanne

    Es ist nicht geklärt, wieviele Frauen aufgrund der regelmäßigen Strahlenbelastung durch den Mammographie-Screen erkranken.

    Prof. G. Gigerenzer in einem Interview von 2005: "Etwa eine Frau von 10000 wird durch eine Mammographie an strahlenbedingtem Brustkrebs sterben, und ein paar mehr werden erkranken."

     

    Siehe link: http://www.brustkrebs-info.de/patienten-info/index.php?datei=patienten-info/mammographie-screening/gigerenzer_tsp6-05.htm

     

    Vielleicht / hoffentlich werden es durch verbesserte, strahlenärmere Meßtechniken weniger?

  • S
    Steffi

    @Stefan

    Ja, das war auch mein erster Gedanke. Wenn ich die eine potentielle Tote unter 2000 wäre, würde ich mir verdammt noch mal wünschen, am Screening teilgenommen zu haben.

     

    Allerdings ist der zweite logische Gedanke dann auch der:

    Warum muss etwas mit gefälschten Zahlen beworben werden, das auch mit den echten Zahlen immer noch eine verdammt gute Sache wäe?

     

    So etwas ruft natürlich berechtigtes Misstrauen hervor, wenn auch im besten Falle unbegründetes.

  • S
    Stefan

    Mmh, selbst im weniger erfolgreichen Falle eine Tote von 2000 untersuchten Frauen in 10 Jahren, also immer noch ca. 10500 Frauen in 20 Jahren (bei 10.4 Mio zu untersuchenden Frauen), die nicht sterben müssen - verstehe nicht ganz, was daran zu kritisieren ist? Sind es über 500 Menschen im Jahr nicht wert (Zeit/Geld/Aufwand) Frau Ingrid Mühlhauser?

     

    vg, stefan