Maloche: Die Kehrseite der Glitzerpassage
Die Zahl osteuropäischer Schwarzarbeiter in Berlin steigt. Rumänen haben auch die Mall of Berlin mitgebaut. Sie sollen nur einen Teil ihres Lohns erhalten haben.
Der Rumäne Petre Ionescu* wartet auf sein Geld. Drei Monate hat er auf der Baustelle der Mall of Berlin an der Leipziger Straße gearbeitet. Die Glitzerpassage ist längst eröffnet, doch der 44-Jährige wohnt immer noch in den Containern hinter der Mall. Pro Monat seien ihm 1.200 Euro versprochen worden, erzählt er. Er habe aber bislang nur einen Teil des Geldes erhalten, 650 Euro fehlten noch.
Bei anderen geht es um noch mehr: Mit Ionescu protestierten in der vergangenen Woche rund 30 Bauarbeiter vor der Mall und forderten ihre Bezahlung. Viele warteten auf 2.500 Euro, berichtet Dieter Pienkny, Sprecher des DGB Berlin-Brandenburg, der die Arbeiter berät. Die Mall of Berlin, erbaut für rund 800 Millionen Euro, ist ein Tempel des Kapitalismus, der Streit um die Bezahlung der Rumänen die hässliche Kehrseite davon. Pienkny zufolge haben die meisten der Männer keine Verträge, sie arbeiten schwarz. Was in Rumänien per Handschlag abgemacht worden sei, könne man im Nachhinein leider schwer einklagen, so der Sprecher.
Die Rumänen von der Mall of Berlin sind kein Einzelfall. Es arbeiten offenbar immer mehr Menschen aus Osteuropa illegal in Berlin. Eine offizielle Statistik gibt es naturgemäß nicht. Zahlen des Zolls, die auf Baustellen und in Betrieben Kontrollen durchführen, zeigen aber eine deutliche Zunahme: Die errechnete Summe der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, die nicht gezahlt wurden, stieg demnach von 24 Millionen Euro im Jahr 2010 auf 45 Millionen im Jahr 2012. Im Jahr 2013 waren es schon 58 Millionen Euro. Sie hat sich also innerhalb von drei Jahren mehr als verdoppelt.
Seit Anfang des Jahres gilt auch für Rumänen und Bulgaren die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie können jetzt ganz legal in Berlin arbeiten. Trotzdem sind viele illegal beschäftigt. „Viele Betroffene glauben, sie seien sozialversichert, der Arbeitgeber hat sie aber nicht angemeldet“, sagt Sprecher Michael Kulus. Manche Firmen lassen Osteuropäer auch als Selbstständige für sich arbeiten, da gebe es dann den Verdacht der Scheinselbstständigkeit. Der Zoll habe seit einiger Zeit ein besonderes Augenmerk auf Unternehmen „mit hoher krimineller Energie“, wie Kulus das beschreibt. Der starke Anstieg der Zahlen könnte zum Teil auch auf diese Anstrengungen des Zolls zurückzuführen sein, glaubt er.
Zunächst müssen bei einer Kontrolle die Beschäftigen einen Fragebogen ausfüllen. Die Ergebnisse werden dann später mit der Buchhaltung der Firma abgeglichen. Im Jahr 2013 seien in Berlin nach den Kontrollen des Zolls 3.900 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten eingeleitet worden, so Kulus.
Auch die Schwarzarbeiter riskieren eine Anzeige. Und stehen rechtlos da, wenn sie um ihren Lohn geprellt werden. Beim DGB beobachtet man eine Verschärfung des Problems: Der Gewerkschaftsbund hat extra ein eigenes Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte eingerichtet, die mit ihren Arbeitgebern Probleme haben. „Wir hatten bislang pro Monat im Schnitt 75 Beratungsgespräche von Arbeitern aus Polen, Bulgarien und Rumänien“, berichtet Pienkny. Seit Jahresbeginn habe sich diese Zahl verdoppelt. „Man merkt, es boomt in der Stadt. Arbeitskräfte kommen her“, sagt der Sprecher.
Die meisten OsteuropäerInnen, die sich an den DGB wenden, arbeiten Pienkny zufolge auf dem Bau. Manche seien auch in Hotels oder Restaurants tätig, wieder andere gingen putzen. Oft gehe es um fehlende Bezahlung. „Wir haben in den letzten vier Jahren über 500.000 Euro an Lohnrückständen eintreiben können“, berichtet Pienkny.
Ob das auch bei der Mall of Berlin klappt, ist fraglich. Der DGB-Sprecher erzählt, dass den Bauarbeitern inzwischen 400 Euro ausbezahlt wurden. „Dafür haben die meisten aber unterschrieben, dass sie keine weiteren Ansprüche stellen.“ Die Aussichten, fehlendes Geld zu bekommen, sänken damit weiter.
Auch für den Zoll ist die Mall of Berlin keine Unbekannte. Der Baustelle statteten die Beamten zuletzt im Frühjahr einen Besuch ab. „Da sind wir dran“, sagt Sprecher Kulus. Eine der beschuldigten Firmen will sich gegenüber der taz zu den Vorwürfen nicht äußern. Eine andere bestätigt auf Nachfrage zwar, dass die Rumänen für sie gearbeitet haben, weist die Anschuldigungen aber zurück. „Wir haben alle komplett ausgezahlt“, so ein Firmenvertreter.
Petre Ionescu will so bald wie möglich zurück zu seiner Familie nach Rumänien. Die Hoffnung auf sein Geld hat er aber noch nicht aufgegeben. „Sie haben mir gesagt, dass ich es bis Ende der Woche kriege“, sagt er. Also bleibt er erst mal. Und wartet.
*Name geändert
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