: Makabre Offensive
■ Kroatische Tourismus-Zentrale wirbt auf der "Reisen ß 93" für die Adria
wirbt auf der »Reisen '93« für die Adria
Die jüngste kroatische Offensive in der Krajina ist kaum drei Wochen her, der serbische Gegenstoß in vollem Gange, vom Gemetzel in Bosnien ganz zu schweigen. Aber: The show must go on — sagen die kroatische Tourismusbranche und ihre deutschen Partner. Anläßlich der Ausstellung „Reisen 93“ präsentierten sie gestern in den Hamburger Messehallen ihr Programm für die kommende Saison. Die Rückkehr zur touristischen Normalität auf dem Balkan ist eingeläutet.
„Die Adria-Küste ist sicher und steht vollkommen unter kroatischer Kontrolle“, verkündet Zeljko Toncinic, Direktor der Kroatischen Zentrale für Tourismus, während manch einer der Anwesenden Ausschau hält nach der versteckten Kamera. Es klingt wie ein makabrer Scherz: Die kroatischen Feriengebiete Istrien und Dalmatien sind wieder für den Urlaubsverkehr freigegeben.
Der Krieg hat den Norden Kroatiens weitgehend verschont. „Die Flugverbindungen sind wieder hergestellt, die Versorgung läuft normal“, so Tourismus-Promoter Toncinic.
Auch die Hauptstadt Zagreb heißt Gäste willkommen. Und selbst Dubrovnik, das vor wenigen Monaten noch unter heftigem serbischen Artilleriebeschuß lag, erscheint wieder in den Prospekten, obwohl von der berühmten Altstadt nicht allzu viel übriggeblieben ist.
Ungeachtet des Krieges kamen 1992 1,7 Millionen Touristen nach Kroatien. Der Anteil der deutschen Urlauber jedoch sank von über 40 Prozent auf gerade mal elf Prozent. Den Veranstaltern fällt eine Erklärung nicht schwer: Nicht die neuen kroatischen Angriffe in der Krajina — von der Ferieninsel Krk kaum 50 Kilometer entfernt — halten die Deutschen fern; schuld sind vielmehr die Medien mit ihrer ständigen Kriegsberichterstattung aus Bosnien.
„Damit blieb auch Kroatien in den Augen der Öffentlichkeit weiterhin ein Kriegsgebiet“, heißt es
1in einer Information der Reiseveranstalter. Doch das Land braucht den Tourismus, will es sich jemals von den Folgen des Bürgerkriegs erholen. „Uns ist am meisten geholfen, wenn man uns unsere Arbeit zurückgibt“, beteuert Zeljko Toncinic.
Der Gedanke an Flüchtlingselend und schwere Zerstörungen in weiten Landesteilen soll das Urlaubsvergnügen nicht trüben. Die über 400000 Flüchtlinge aus Bosnien wurden vorsorglich von den Feriengebieten ferngehalten. Und die galoppierende Inflation macht den Urlaub für Ausländer noch billiger.
„Kroatien ist“, so lobhudeln die Veranstalter, „das preiswürdigste Reiseziel am Mittelmeer.“ Aber ist es auch das menschenwürdigste? Uli Mendgen
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