: Majors semantischer Haken
■ Außer der britischen Regierung begrüßen alle den IRA-Waffenstillstand
Dublin (taz) – Die gefangenen Mitglieder der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) haben den Waffenstillstand begrüßt, den die IRA vor gut zwei Wochen erklärt hat. In einem gestern von der Irish Times veröffentlichten Brief der Gefangenen heißt es, dies sei „ein mutiger Schritt der IRA, um die Alternative einer friedlichen Verhandlungslösung des Konflikts zu fördern“. Außerdem verpflichteten sich die Gefangenen, an der „Entwicklung einer Strategie ohne Waffen“ mitzuarbeiten, selbst wenn die britische Regierung „diesen Ölzweig zurückweisen“ sollte. Die Frage sei jetzt, ob die Regierung in London überhaupt Frieden wolle.
Der britische Premierminister John Major weigert sich weiterhin, die Endgültigkeit des Waffenstillstands zu akzeptieren. Er besteht auf einer ausdrücklichen Erklärung der IRA, bevor die dreimonatige „Dekontaminierungsphase“ beginnen kann. Erst danach soll Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, an den Verhandlungstisch gebeten werden. In Dublin rauft man sich über Majors Starrsinn die Haare. Der irische Premierminister Albert Reynolds sagte, es sei ihm unbegreiflich, daß „jemand in der Erklärung der IRA-Gefangenen kein positives Zeichen“ erkennen könne. Er frage sich, ob sein britischer Amtskollege das Dokument überhaupt gelesen habe.
Zwar geht die Dubliner Regierung noch immer davon aus, daß Major und Reynolds „in die gleiche Richtung – wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit – fahren“, doch man befürchtet, daß sich die britische Regierung an ihrem eigenen „semantischen Haken aufspießen“ und den Friedensprozeß dadurch unterminieren könnte. Ein irischer Minister, der ungenannt bleiben wollte, sagte: „Wir sind noch nicht in der Gefahrenzone, aber wir sind auf dem besten Weg dorthin.“ Ralf Sotscheck
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