: Mahnwache vom Breidscheidtplatz soll weg
■ Gemeindekirchenrat der Gedächtniskirche setzte den Kriegsgegnern von der Mahnwache ein Ultimatum/ Ärger wegen Flaschenwurf und Anschlag auf das Altarkreuz/ Rund 50 überwiegend jugendliche Demonstranten wollen ausharren
Breitscheidplatz. Seit Ablauf des Ultimatums an den Irak, also seit fast zwei Wochen, harren sie sowohl tags als auch nachts an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche aus — bei klirrender Kälte. Rund 50 Kriegsgegner, die meisten von ihnen sind Schüler, wollen angesichts des Krieges nicht zur Tagesordnung übergehen und halten deswegen eine permanente Mahnwache ab. Bis zum Wochenende wurden sie von der Kirchenleitung geduldet. Jetzt hat sich das Klima zwischen ihnen und den christlichen »Gastgebern« verschlechtert.
In einem Brief »an die Gruppe, die zur Zeit ihr Zelt am neuen Turm der Kaiser-Wilhem-Gedächtniskirche aufgeschlagen hat«, so die Adressierung von Pfarrer Soppa, der auch Vorsitzender des Gemeindekirchenrates ist, werden die durchgefrorenen Demonstranten aufgefordert, »unser Kirchengelände zu verlassen«. Der Grund sei, »daß Ihre Aktion nicht gewaltfrei ist«. Den Kriegsgegnern wird vorgeworfen, pro-amerikanischen Demonstranten Sonntag mittag »aggressiv entgegengetreten« zu sein und mit Flaschen beworfen zu haben. Außerdem zählt Pfarrer Soppa den Mann, der Sonntag nachmittag mit einer Axt das Altarkreuz der Kirche beschädigt hatte, zu denen, die die Mahnwache abhalten.
Die Angesprochenen weisen die Vorwürfe weit von sich. Weder gehörten die Flaschenwerfer zu ihrem Kreis, noch hätten sie etwas mit dem Anschlag auf das Altarkreuz zu tun: »Wir schicken doch niemanden los,« reagierten sie auf die gestrige Darstellung eines Boulevardblattes, »um Kirchenkreuze als Brennholz für unsere Feuerstelle zu holen.«
Im Gespräch mit Pfarrer Soppa habe man zumindest eine Frist bis heute nachmittag 17 Uhr aushandeln können, in der Forderungen der Kirchenleitung akzeptiert werden müssen. So verlange der Theologe sowohl den Abbau des Zeltes als auch das Abhängen der zahlreichen Transparente am Turm. Zudem möchte Soppa einen oder zwei Verantwortliche benannt wissen, an die er sich im Konfliktfalle wenden könne.
Auf einem Plenum wollten die Kriegsgegner gestern abend beraten, ob sie diesen Forderungen nachkommen. Sie wollen nicht verstehen, daß nun auch die Kirche trotz der immer größeren Katastrophe am Golf zur Tagesordnung übergehen will. Das zumindest ist ihre Sichtweise, und dafür setzen sie viel aufs Spiel. Matthias Korth (16) von der Sophie- Scholl-Gesamtschule etwa, war in den letzten 14 Tagen »nur drei Stunden in der Schule«. Langsam wird es für ihn prekär, »denn ich darf ja nicht zu viel vom Unterrichtsstoff verpassen«. Die ebenfalls 16jährige Eva Strack vom Albrecht-Dürer-Gymnasium geht zwar noch häufig zur Schule, muß von ihren Lehrern aber auch zahlreiche Fehlstunden eintragen lassen. Sie hat dafür immerhin nicht nur die Zustimmung zahlreicher Mitschüler, sondern auch ihrer Mutter. Gregor (22), mit dicken Jacken und Tüchern gegen den schneidend kalten Wind geschützt, muß sich vor niemandem rechtfertigen: Seinen Beruf gibt er mit »Hausbesetzer und Straßenmusikant« an. Trotz der Probleme mit dem Gemeindekirchenrat wollen die Jugendlichen ausharren. Denn, so ihre Begründung: »Was ist schon die Kälte gegen diesen Krieg.« ak
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