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Mahnmal in HamburgRassismus wurde ausgeblendet

Der Vorplatz des S-Bahnhofs Landwehr in Hamburg wird in Ramazan-Avci-Platz umbenannt. Der Türke war dort 1985 von Nazi-Skinheads erschlagen worden.

Ein Straßenschild erinnert künftig an Ramazan Avci, der Verkehrsverbund zieht nach. Bild: Hendrik Doose

Ramazan Avci ist nur 26 Jahre alt geworden. Der Einwanderer aus dem türkischen Isparta, der zusammen mit seinen Brüdern Hüseyin und Veli in Hamburg lebte, ist am des Abend des 21. Dezember 1985 von faschistischen Skinheads erschlagen worden. Seinen Sohn, den seine Frau Gülistan elf Tage nach seinem Tod gebar, hat er nie gesehen.

Der Tod von Ramazan Avci galt lange als erster rassistischer Mord von Neonazis. Nach 27 Jahren setzt ihm Hamburg nun ein Denkmal. Der Bahnhofsvorplatz am S-Bahnhof Landwehr, wo er von den Naziskins umgebracht wurde, wird am morgigen Mittwoch offiziell in Ramazan Avci-Platz umbenannt; ein Gedenkstein für ihn wird aufgestellt.

Ramazan Avci war ein zufälliges, wenngleich auch nicht irrtümliches Opfer. Wahllisten „Ausländer raus“, hinter denen die NPD steckte, kursierten in jener Zeit in Hamburg. Als Ramazan Avci am Abend des 21. Dezember am Bahnhof Landwehr mit seinen Brüdern auf den Bus wartete, wusste er nicht, dass die „Bahnhofsstuben“ eine Skinhead Stammkneipe waren, die vor allen von der Naziskin-Szene aus Hamburg-Lohbrügge frequentiert wurde. Etwa 30 Skins stürmten aus der Kneipe und attackierten „die Kanaken“. Ramazan Avci wehrte sich mit einer Reizgassprühdose, woraufhin die Skins kehrt machten, und sich in der Kneipe bewaffneten.

Erneut stürmte die Skin-Truppe auf das Trio los. Während Ramazans Brüder Zuflucht in einem Linienbus finden konnten, rannte Ramazan auf die Fahrbahn und wurde von einem Auto erfasst und zu Boden geschleudert. Die 18 bis 23 Jahre alten Nazi-Skins prügelten mit Holzkeulen, einem Axtstiel und einem Gummiknüppel auf den am Boden liegenden Ramazan Avci ein, bis die Schädeldecke zerplatzte. „Trotz mehrerer Notoperationen verlor er, ohne aus dem Koma erwacht zu sein, am Heiligabend sein Leben“, sagt Gülistan Avci, die ihrem Sohn seinen Namen gab.

Obwohl einige der Schläger noch am Tatort von der Polizei gefasst wurden, hat das Dezernat „Rockermilieu“ der Kriminalpolizei sie nach der Vernehmung entlassen – wie sich vor Gericht später herausstellte, weil der mit dem Mordfall befasste Ermittler einen der Tatverdächtigten kannte, da sein Sohn selbst in der Skinheadszene aktiv war.

Aber auch der Vorsitzende Richter Erich Petersen, dessen Landgerichts-Kammer über fünf der Täter zu urteilen hatte, tat sich schwer, die rassistische Motivation der Angeklagten zu erkennen. Auch, weil der Staatsschutz der Polizei Akten über die rechte Skinheadszene unter Verschluss hielt und der stellvertretende Verfassungsschutzchef Ernst Uhrlau seine „Erkenntnisse“ nicht preisgeben wollte.

Es habe die Chance der Aufklärung gegeben; die Chance, etwas über die Motivation der Angeklagten zu erfahren – aber das Gericht habe die Beweisaufnahme geschlossen, wo sie eigentlich hätte beginnen müssen, kommentierte damals die Zeit den Prozess. Selbst die Chefs vom Dienst der taz wollten das Wort von „faschistischen Skinheads“ nicht im Blatt sehen, als 10.000 Menschen mit einer Demonstration „Wehret den Anfängen“ des Todes von Ramazan Avci gedachten.

Dabei war klar, dass die Täter der Lohbrügger Nazi-Skinheadgruppe „Lohbrügger Army“ angehörten, aus der Anfang der 80er Jahre der Neonaziführer Michael Kühnen den Nachwuchs für seine militante „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS) rekrutierte. Lohbrügge war zudem Hochburg der rechtsextremen Freiheitlichen Arbeiterpartei, die nach dem Verbot der ANS von der Ex-Kühnen-Truppe übernommen wurde. Auch der bis heute aktive Neonaziführer Thomas „Steiner“ Wulff hatte seinen Wohnsitz in Lohbrügge, wo er damals auch politisch tätig war.

Doch all das wurde im Gerichtsverfahren nicht berücksichtigt. „Die rassistischen Hintergründe sind ganz schnell ausgeklammert worden“, erinnert sich Anwalt Uwe Maeffert, der die Familie Avci als Nebenkläger vor Gericht vertreten hat: „In Hamburg ist ganz schnell die Losung ausgegeben worden: Es gibt keine Morde, weil jemand Ausländer ist.“

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4 Kommentare

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  • D
    Detlev

    @ramazan

    Wäre Avci nicht in den Bereich Graue Wölfe/MHP eingeordnet worden, die Solidarität und die Demonstrationen wären vollkommen anders gewesen. Selbst als Grauer Wolf oder MHP-Aktivist war und ist er ein O p f e r von Neonazis, die dafür n i e richtig bestraft wurden. Die Stadt Hamburg hätte schon damals anders reagieren müssen.

     

    Bei Süleyman Taşköprü hat die Hamburger Polizei noch vor Kurzem behauptet, sie hätten alles richtig gemacht. In Wirklichkeit haben sie Taşköprü und seine Familie ohne jede Fundierung verdächtigt, dass er in irgendeiner Weise kriminell gewesen sei. Nichts davon lies sich über Jahre erhärten. Bislang habe ich dafür auch keine Entschuldigung aus der Polizei/Stadt gehört.

     

    Kurz: Ich glaube solchen Sonntagsreden nicht, wo sind denn die Taten? Wo ändert sich was in Hamburg? Wie lang wird der Senat brauchen, um Süleyman Taşköprü zu gedenken? Bislang gibt es meines Wissens nur in Kassel überhaupt eine Erinnerung an die NSU-Opfer.

  • R
    ramazan

    Rassismus ist ein politischer Begriff. Es setzt nicht "Rassen" voraus, sondern veranschaulicht einen Herrschafts-und Weltbild.

    In Deutschland darf das Wort Rassimus nicht verwendet werden, ohne sofort Widerspruch zu ernten. Staatdessen wird verniedlicht mit Ausländerfeindlichkeit, Ethnienfeindlichkeit etc. Wo ist der Bewies, dass es Ethnien gibt? Auch das ist eien Klassifizierung von Menschen.

     

    Es gab auch sehr viele Linke, die sich engagiert haben. Es gibt und gab nie Beweise dafür, dass Ramazan Avci ein Anhänger der Grauen Wölfe war. Wenn manche ihr Handeln danach ausrichten, dann haben sie ein grundsätzliches Problem nicht kapiert. Soll man sich deshalb nicht engagieren?

    Wer ist so blöd und glaubt, dass Nazis ihre Opfer danach aussuchen, ob sie "gute" oder "schlechte" Opfer sind. Niemand glorifiziert oder heroisiert ihn. Er ist und bleibt ein Opfer des Rassismus.

  • D
    Detlev

    Ramazan Avci stand den Grauen Wölfen nahe oder gehörte sogar dazu. Das war und ist die Jugendorganisation der MHP, in gewisser Weise die NPD der Türkei, nur, dass die Gauen Wölfe fürs Grobe zuständig waren, häufig bildeten sie die Schlägertrupps der Partei, auch in Hamburg sind sie so in Erscheinung getreten. Entsprechend traten damals die türkischen Linken in Hamburg massiv auf die Bremse, weil sie zu den deutschen Linken sagten, der ist/war doch selber Faschist, der hat unsere Solidarität nicht verdient.

  • OH
    Otto Huber

    Der Vorfall ist schlimm und eine Schande für unsere Gesellschaft. Ebenso schlimm ist jedoch auch die Berichterstattung unter dem Titel 'Rassismus'. Das suggeriert den unkundigen Lesern, dass es menschliche Rassen gäbe und dass eben Türken auch eine von vielen Rassen seien. Das schlicht Unsinn und fahrlässiger Journalismus. Es handelt sich um gravierende ethnische Diskriminierung mit Todesfolge. Ob dabei kulturelle, religiöse oder sprachliche Motive Triebfeder waren ist schon fast nebensächlich.