Magnus-Hirschfeld-Gedenktag: Temporäres Erinnern, anhaltender Hass
Eine Haltestelle erinnert an den Pionier der Homosexuellen-Bewegung Magnus Hirschfeld. Ein wichtiges Zeichen angesichts steigender Queerfeindlichkeit.
„Magnus Hirschfeld lehrt uns, dass Transsein kein Trend ist, sondern schon in den 1920er Bestandteil von Berlin war“, sagt Alfonso Pantisano, Berlins Queerbeauftragter. Passend zur Frühlingskulisse im Tiergarten trägt er einen fliederfarbenen Zweireiher, dazu eine glitzernde Lotusblüten-Brosche.
Anlässlich des 90. Todestags des Berliner Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld weiht Pantisano am Montag zusammen mit Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) eine „Gedenk-Haltestelle“ für den schwulen Arzt ein. Hirschfeld kämpfte in den 1920er Jahren für die Rechte queerer Menschen. Sein Motto: Durch Wissenschaft zu Gerechtigkeit.
Dort wo heute das HKW in der ehemaligen Kongresshalle angesiedelt ist, etablierte er 1919 sein Institut für Sexualwissenschaft, an dem bereits vor fast 100 Jahren die ersten geschlechtsangleichenden Operationen durchgeführt wurden. Das Institut war das intellektuelle und aktivistische Zentrum der queeren Bewegungen in Deutschland – bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten. Sie plünderten und zerstörten es. Hirschfeld floh ins Exil.
Höchststand queerfeindlicher Angriffe
Doch Angriffe auf queere Menschen sind kein Phänomen der Vergangenheit. In Berlin steigen queerfeindliche Straftaten seit Jahren kontinuierlich an. 2023 wurde mit 588 gemeldeten Vorfällen ein neuer Höchststand erreicht. „Die Angriffe werden immer stärker, immer aggressiver“, sagt Pantisano. Betroffen sind nicht nur Einzelpersonen, sondern auch queere Schutzräume. Wiederholt wurde das Café „Das Hofen“ in Neukölln Ziel queerfeindlicher Angriffe. Erst vergangene Woche wurde eine Regenbogenflagge der Tipsy Bear Bar in Prenzlauer Berg abgerissen und in Brand gesteckt. „Wir müssen dafür kämpfen, dass wir nicht unter den Füßen von autoritären Kräften zertreten werden“, so Pantisano.
Auch Sozialsenatorin Kiziltepe warnt: „Wir erleben einen gefährlichen Rollback gegen queeres Leben. Solidarität und Verbundenheit mit der queeren Community sind heute wichtiger denn je.“ Als Zeichen der Anerkennung und Erinnerung hat ihr Haus den 14. Mai als landesweiten Gedenktag für Magnus Hirschfeld eingeführt – seit 2024 wird er jährlich begangen. Das diesjährige Motto lautet „Sterne seines Queeren Berlins“ und würdigt die Mitstreiter*innen Hirschfelds, die maßgeblich zur queeren Emanzipationsbewegung beigetragen haben.
Berliner*innen können die Geschichte über einen Stadtplan und einen Audiowalk nachverfolgen, rund um den 14. Mai finden Festveranstaltungen statt. Im HKW zeigt eine Ausstellung im Rahmen der Antidiskriminierungstage des Bundes das Wirken von Hirschfeld und seinen Mitstreiter*innen.
Die Gedenkhaltestelle wird jedoch nur 6 Wochen bestehen. Eine dauerhafte Installation sei „technisch nicht möglich“, so eine Vertreterin der Betreiberfirma Wall. Die Folierung halte nur begrenzte Zeit, die Wartung sei intensiv und das Vandalismusrisiko groß. Die Gedenkhaltestelle mag temporär sein – die Angriffe sind es nicht.
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