: Magischer Musik-Moment
■ Das Musik-Projekt Freispiel mit Mitgliedern von Tuxedomoon und Ultravox
Im November wagten einige Musikanten einen Ausflug in den Kölner Stadtgarten. Vier Tage lang probten dort 40 Musiker aus Deutschland und England unter dem Motto „Freispiel“ ein freies Spiel zwischen Chaos und Ordnung, Beliebigkeit und Freiraum. Festgelegt war zuvor lediglich die Kombination der Musikanten, Absprachen waren tabu.
Dem Ruf des Projektleiters – Produzent Arno Steffen – folgten neben einheimischen Musikgrößen wie Jakie Liebezeit (Can), Gabi Delgado (DAF), Helmut Hattler (Kran), Ulrike Haage (Rainbirds) und F.M. Einheit auch britische Heroen wie Jaz Coleman (Killing Joke), Andrew Gil (Gang of Four), Peter Hook (New Order) oder Billy Currie (Ultravox) und Blaine Reininger (Tuxedomoon), die auch heute im Docks live antreten.
Und obwohl alles gestandene Musikarbeiter sind, die teilweise mit Bierbauch längst den Zenit ihres Schaffens überschritten haben, dokumentiert der Film von Burkhard Steger, der vor dem Konzert gezeigt wird, ihre anfängliche Unsicherheit überdeutlich. Nur der improvisationserprobte Jakie Liebezeit umarmt die Freiheit gleich zu Anfang des Films mit dem Statement: „Frei Musik machen, das ist einfach das beste.“
Die anderen sprechen in den eingelegten Interviewschnipseln eher von Angst, Unsicherheit und Verkrampfung angesichts dieser ungewohnten Session. All diese Regungen sind in Großaufnahme an den Gesichtern abzulesen, wenn etwa Jaz Coleman von Killing Joke auf Peter Hooks charakteristische, aber unberechenbare hohen Baßläufe stiert.
Manchmal ensteht aus diesem vorsichtigen Tasten heraus wirklich etwas passables, manchmal aber zerfallen die angestimmten Akkorde wie das Geigen-Cello-Duett von Billy Currie und Tilman Fürstenau (Sandow). Dann setzen neue Formationen an, die zuvor im Treppenhaus Karten gelegt hatten oder sich im Flur des Hotels trafen, um ein krudes, romantisches Lied zur Trompete zu intonieren.
Man merkt den Musikern an, wie sie sich langsam sicherer fühlen. Irgendwann nutzen sie die Freiheit wirklich aus, verlassen Songstrukturen und setzen Neutöner, Dissonanzen, Wut und Experimente dagegen. Als Startschuß gerät die Session von F.M. Einheit, der mit Backsteinen über ein Metallbrett raschelt und kratzt, begleitet nur von Ulrike Haage, die Geigensaiten über Klaviersaiten zerrt und Pingpongbälle über den Flügel hüpfen läßt.
Auch in größeren Formationen wird nun Spur um Spur geschichtet bis zum Höhepunkt, dem Wiedersehen mit Blaine L. Reininger von Tuxedomoon, der im Holzfällerhemd einen Song voll verzweifeltem Pathos anstimmt. Daß sich hier unerwartet einer der wenigen magischen Musik-Momente eingestellt hat, ist auch den verklärten Augen von Projektleiter und Filmemacher abzulesen.
Burkhard Steger hat mit dieser Liebeserklärung an die Musik die Entstehungsbedingungen von Popmusik verfolgt und sich dabei ihrem Rhythmus angepaßt. Mit leichtem Blaufilter fängt er in langsamen Schwenks das Spiel der Spieler ein, um immer wieder unaufdringlich mit Nahaufnahmen Schwerpunkte zu setzen. Wie es Liebeserklärungen so an sich haben, nervt dabei lediglich der pathetische Tonfall und die großen, geheimnisvollen Worte, die aus dem OFF das schlichte Tun der Musiker kommentieren.
Volker Marquardt
Do., 21. März, 21 Uhr, Docks
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