Magazine: Portokasse ist leer
Eine Erhöhung der Postbeförderungskosten bedroht das US-Magazin "The Nation" in der Existenz - und damit einen Pfeiler der US-Demokratie.
WASHINGTON taz Der Einzelhandelsgigant Walmart kann billiger einkaufen, weil er mehr verkauft. McDonalds auch. Warum soll der Medienkonzern Time Warner nicht weniger bezahlen dürfen, wenn er große Mengen abnimmt? Der Konzern hat für seine Massenmagazine wie Time, People oder Sports Illustrated Ausnahmen von der geplanten Portoerhöhung der US-Post durchgesetzt.
Bei kleineren Abopublikationen aber regt sich Widerstand, allen voran beim linken Magazin The Nation. Dessen leitende Redakteurin, Katrina Vanden Heuvel, spricht angesichts der bevorstehenden Preissteigerung um bis zu 30 Prozent sogar von einer existenziellen "Postkrise".
Das in New York produzierte Magazin, 1865 als unabhängige Stimme gegründet, trommelt daher um Spenden, denn in einigen Tagen sei eine der "saftigsten Rechnungen" seit der Gründung fällig. Vanden Heuvel rechnet mit rund einer halben Million US-Dollar zusätzlich pro Jahr, die der US-Post für die Beförderung der rund 184.000 Exemplare zählenden Auflage zu zahlen sei.
Unterstützung erhält das Magazin von renommierten US-Akademikern, die die Regulierungsbehörde der US-Post in einem offenen Brief auffordern, die beschlossene Rabattregelung für Großverlage wie Time Warner, Hearst und Condé Nast rückgängig zu machen. "Wir weisen auf den bedeutenden Beitrag hin, den kleinere, aber einflussreiche Publikationen für die akademische Welt und die Gesellschaft im Allgemeinen leisten", schreiben sie. Die unfaire Portoregelung gefährde die mediale Vielfalt und "die Freiheit der nationalen Presse insgesamt".
Was den US-Portostreit von einem kleinlichen Gebührenstreit unterscheidet, ist, dass er ins Herz des Selbstverständnisses des Landes als Demokratie trifft. Dass die Regulierungsbehörde der staatlichen Post erstmals Lobbyisten von Großkunden Gehör schenkt, kommt in den Augen linker KritikerInnen einem Verfassungsbruch gleich. Denn der Unites States Postal Service ist ein von den Gründervätern der USA erdachtes Instrument des "Marktplatzes der Ideen".
Im 18. Jahrhundert forderte Thomas Jefferson, Vater der Verfassung, einen Postdienst, der es ermögliche, dass "Ideen die Masse des Volkes durchdringen"; denn die in der Verfassung garantierte Meinungs- und Redefreiheit sei von geringem Wert, wenn es keine bezahlbaren Briefträger gebe, die Informationen und Publikationen austragen und so eine freie Presse erst ermöglichten.
Nun soll jene billige Informationsverbreitung - ein Brief innerhalb der USA kostet umgerechnet nur 0,32 Euro - der Vergangenheit angehören. Die neuen Tarife für Publikationen sollen ab Sonntag gelten. Was die Kritiker besonders erbittert, ist, dass sich die verantwortlichen Bürokraten über die Auswirkungen ihrer Entscheidung offenbar keine Gedanken gemacht haben, schreibt Blogger Robert McChesney im linken Newsblog Common Dreams. Die Erhöhung sei ohne Beratung im Parlament beschlossen worden und gehe auf einen Vorschlag und die Initiative des Konzerns Time Warner zurück.
In den USA, in deren zutiefst gespaltener Gesellschaft sonst alle Debatten entlang den Parteigräben verlaufen, ist die Empörung über die fahrlässige Portoentscheidung daher keine Angelegenheit ausschließlich linker Minderheitsmedien. Zum ersten Mal erhält The Nation Schützenhilfe von William F. Buckleys stramm konservativer National Review und vom rechtskonservativen American Spectator - die ebenfalls bedroht sind.
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