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Männlich und alt sein hilftWie man den Büchnerpreis gewinnt

Der wichtigste deutsche Literaturpreis wird seit 60 Jahren verliehen. An welche Autoren eigentlich? Klar ist: Der Büchnerpreisträger muss schullektüretauglich schreiben.

Er erhält Samstag in Darmstadt den 60. Büchnerpreis: Friedrich Christian Delius. Bild: dpa

Andere Preise sind bescheidener. Beim Bachmannpreis in Klagenfurt wird nur ein Schimmer Morgenröte gesucht: der beste Text aus drei Vorlesetagen, vielleicht wird mal ein schönes Buch draus. Der Deutsche Buchpreis verbreitet Hoffnung auf lesbare deutsche Romane und ruft den Lesern zu: Seht her, es gibt ein Lesen außerhalb von "Wanderhure" und "Schlank im Schlaf"!

Der Georg-Büchner-Preis aber ist ein scheißender Teufel auf der Suche nach dem größten Haufen. Der durchschnittliche Büchnerpreisträger ist zwischen 50 und 70 Jahre alt, meist männlich und hat schon acht bis zwölf andere Literaturpreise gewonnen. Mit dem Büchnerpreis wird bereits zementierte Bedeutung zementiert.

In diesem Jahr wird der 60. Georg-Büchner-Preis - dotiert mit 50.000 Euro - an Friedrich Christian Delius verliehen. Den Preis vergibt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Das ist ein Verein, der seine Mitglieder schon durch die Einladung zur Mitgliedschaft für bedeutend erklärt.

Der Preisträger, die Preisträgerin war entweder schon vorher Mitglied oder wird es durch den Büchnerpreis. Über die Preisvergabe entscheidet das erweiterte Präsidium, darunter sind oft ehemalige, manchmal auch zukünftige Preisträger. Ausgezeichnet werden können Dichter und Schriftsteller, die, so die Satzung, "in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderen Maße hervortreten und die an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben".

Wir wird man Büchnerpreisträger? Der Weg zum Büchnerpreisgewinn ist mit Literaturpreisen gepflastert. Dieses Pflaster ist leicht zu verlegen. Preisen und Stipendien kann ein Autor heute nur noch durch Selbstmord entkommen. Etwa 350 Literaturpreise werden zurzeit jährlich aus einer großen Gießkanne über dem deutschen Sprachraum ausgegossen, darunter inzwischen auch 14, die nach Büchnerpreisträgern benannt sind. Tendenz steigend.

Was muss er können, der Büchnerpreisträger? Er muss eine saubere Büchnerpreisrede abliefern können. Wer wirkt, als habe er einen guten Anzug oder ein kleines Schwarzes im Schrank und könne mit gewaschenem Hals zehn Minuten öffentlich reden, ohne Anwesende zu schmähen, hat gute Chancen. Walzer tanzen können - auch kein Fehler.

Aus der Liste der Büchnerpreisträger werden ja auch die Nobelpreisträger ausgewählt (Grass, Böll, Canetti, Jelinek). Der Büchnerpreisträger muss vermutlich schullektüretauglich schreiben: Die gesamte Nachkriegsliteratur in meinem Deutschunterricht stammte von Büchnerpreisträgern. Und -innen: unter anderen Marie Luise Kaschnitz und Christa Wolf, Uwe Johnson, Helmut Heißenbüttel, Wolfgang Koeppen und die erhobenen Zeigefinger von Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt.

Hindernis Frausein

Frau sein ist für den Büchnerpreisgewinn bisher eher hinderlich. Unter 60 Preisträgern sind nur sieben Frauen. Sogar die Herta Müller haben sie übersehen, da war zum ersten Mal der Nobelpreis schneller. Vielleicht ein Galanterieproblem. Offenbar sucht man in Darmstadt einen in Ehren ergrauten Autor, und bei Frauen spricht man erst wieder vom Alter, wenn sie in die Kategorie "rüstig" fallen oder schon tot sind.

Schaut man zurück auf die Geschichte des Georg-Büchner-Preises, stößt man auf die Gruppe 47. Man muss nicht sehr weit zurückschauen, nur bis Mai 2011. Da wurde Friedrich Christian Delius als künftiger Georg-Büchner-Preisträger benannt, der mit 21 Jahren der Gruppe vorlas. Er ist der 25. Büchnerpreisträger mit Gruppe-47-Vergangenheit. Jetzt sind noch Siegfried Lenz (85, 22 Preise) und Hans Joachim Schädlich (76, 18 Preise) unbepreist, Gabriele Wohmann (79, neun Preise) und Dieter Wellershoff (86, nur sieben Preise).

Bild: taz

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Die Preisträger der ersten Jahrzehnte schrieben nicht nur Romane oder Gedichte oder Dramen. Manche schrieben weder Romane noch Gedichte noch Dramen. Sie schrieben Essays. Sie waren Intellektuelle mit Meinungen. Da wurde Erich Kästner als "strenger Geißler unserer Zeit" und "scharfblickender Moralist" gewürdigt, Günter Grass bekam den Preis, weil er "kritisch das Leben unserer Zeit darstellt und gestaltet", jawohl: nicht nur beschreibt, sondern auch gestaltet. Peter Weiss wurde ausgezeichnet für das "entschiedene Engagement für die Sache der Unterdrückten in aller Welt".

"Mutig", "gesellschaftskritisch", "wahrhaftig", "unbestechlich" - so sollten Büchnerpreisträger sein. Und in den vergangenen Jahren? Da begnügt man sich mit "behutsamer Genauigkeit" (Durs Grünbein 1995) oder "Genauigkeit des Blicks" (Sarah Kirsch), "eigenem Ton und unverwechselbarer Form" (Arnold Stadler). Prämiert werden "aufmerksame Beobachter" wie Alexander Kluge oder der "humorvolle und hintergründige Menschendarsteller" Martin Mosebach. Wenn das bedeutet, dass dem Leser inzwischen eine eigene Meinung zugetraut wird, dann ist es ja in Ordnung. Man muss auch nicht immer gegen irgendwas sein. Aber könnte nicht hin und wieder mal "besessen", "wütend", "leidenschaftlich" in so einer Preisbegründung vorkommen?

Gibt es typische Themen, über die Büchnerpreisträger zu schreiben haben? Die großen Themen in der Literatur sind zeitlos: Krieg, Familie, Liebe, Krankheit/Tod, Politik, Religion, Fremdsein. In Kombinationen: krankhafte Liebe, Verfolgung, Missbrauch, Terrorismus, Provinz. Das ist bei diesen Büchnerpreisleuten nicht anders. Sex, Gewalt, Mutter: Elfriede Jelinek. DDR/BRD, Familie, Fremde: Wolfgang Hilbig. Schlimmes katholisches Österreich: Thomas Bernhard, Josef Winkler. Oder das, was gerade anliegt (Christa Wolf über Tschernobyl, Friedrich Christian Delius über Mogadischu, Heinrich Böll über die Bild-Zeitung). "Individuum trifft Historie" läuft immer gut, aber "Kirche im Dorf" hat auch Chancen.

Erzählen wie vor 100 Jahren (Martin Mosebach) ist kein Hindernis, aber Experiment (Helmut Heißenbüttel, Oskar Pastior) geht auch, da kommt der Preis dann halt zehn Jahre später, wenn das Experiment durch Preise und Buchverkäufe geadelt ist. Auffallend aber: Gegenwind gibt es selten, die Preisträger sind so arriviert, dass keiner Grund zur Aufregung hat. Vereinzelte Aufschreie gab es zuletzt bei der Wahl des allzu katholischen Martin Mosebach. Die Verteidigung stand wie eine Eins und lautete: Aber diese Sprache, diese wunderbare Sprache!

Aber wie schaffen es immer wieder große Autoren, durchs Netz zu fallen? Was machen die falsch? Die Benutzung von Zettelkästen führt offenbar zur Disqualifikation, sonst hätten Arno Schmidt und Walter Kempowski den Preis selbstverständlich bekommen. Schmidt hat zudem die Einladung der Gruppe 47 ausgeschlagen, das war unhöflich. Aber was hat Siegfried Lenz falsch gemacht? Gruppe 47, Akademiemitglied, unbedingt lehrplantauglich ("Deutschstunde"!), Bundesverdienstkreuz. Wurde der Jahr für Jahr durchgereicht: "Ach, Lenz, den können wir doch immer noch ..."

Verschlossene Türen

Der Georg-Büchner-Preis ist, heißt es, der bedeutendste deutsche Literaturpreis. Für uns Literatur-Endverbraucher ist er ein langweiliger Preis. Es wird nichts Neues entdeckt, man erfährt nichts über den Auswahlprozess. Hinter verschlossenen Türen wird eine Konsensentscheidung getroffen, mit der womöglich keiner glücklich ist, aber alle leidlich zufrieden sind.

Ein viel schönerer Preis könnte der Georg-Büchner-Preis sein, wenn die Akademie im jährlichen Wechsel drei unterschiedliche Preise vergeben würde. Im ersten Jahr gibt es einen Wiedergutmachungspreis, mit dem ein bisher Übersehener ans Licht geholt wird (Vorschlag: Edgar Hilsenrath, 85). Im zweiten Jahr wird gezockt, da muss der Preisträger unter 30, na gut, unter 35 sein (Vorschlag: Clemens J. Setz, 29). Im dritten Jahr darf das Präsidium sich ausruhen und alles wie bisher machen, also einen üppig vorbepreisten Autor zwischen 50 und 70 wählen. Die nächsten Preisträger stehen schon fest, nur die Reihenfolge muss noch gelost werden: Christoph Ransmayr (57, zwölf Preise), Ulla Hahn (65, acht Preise), Sibylle Lewitscharoff (57, zehn Preise), Ralf Rothmann (58, zwölf Preise). Und wenn die Jury mutig ist, auch Rainald Goetz, 54, nur sieben Preise.

schrieb zuletzt das Buch "Wie man den Bachmannpreis gewinnt", Heyne-Verlag, 208 Seiten, 12,95 Euro

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9 Kommentare

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  • G
    Glas

    ...........................?

  • SA
    Sophie Anton

    Langweilig, aber durchaus amüsant.

    Was bleibt mir darüber hinaus festzustellen?

     

    Einen derart abstoßenden Neid- Artikel zum Thema Literatur habe ich selten zu Gesichte bekommen. Womit rühmen Sie sich denn? Verkannter Genialität? Vielleicht sollten Sie sich lieber einmal inspirieren lassen, anstatt sich anzuekeln um damit wiederum anzuekeln.

     

    Es scheint Ihnen unbekannt, aber die Literaturbranche ist eine der wenigen, in der Preise noch für wahres Talent, grandioses Schaffen verliehen werden.

     

    Wollen Sie etwa Bestseller-Autoren als Preisträger? Mir scheint...

     

    Schlagen Sie doch einmal Charlotte Roche vor. Ihrem Artikel zu urteilen, das Geeignetste, was Deutschland derzeit zu bieten hat. Weiblich, "mutig", preislos, sprachlich auf langweiligste Art und Weise miserabel und grotesk anmutend primitiv (Die Loslösung von der verkopften, intellektuellen Gruppe 47- Generation)... Hach.

     

    Ich glaube nicht, dass die TAZ, und auch Sie, werte Verfasserin, dies nötig haben....

     

    Nichts für Ungut, Sarkasmus und Ironie kann auch die Literaturszene ertragen, zumal dies hier ja nun wirklich charmant unbeholfen und offensichtlich durch Kränkung geprägt wurde. Was sind die großen Opernwerke einem Tauben?

    Sie können nunmal in der großen deutschen Literatur das Große nicht sehen, dann wenden Sie sich vielleicht einfach anderen schönen Dingen zu. Davon gibt es reichlich.

    brot

    Und zum Schluss: Ein Glück gibt es diesen Büchnerpreis und ich verneige mich vor allen, toten wie lebendigen, Preisträgern, für ihre weit mehr als kostbaren Beiträge zur deutschen Sprache, Kultur ... Celan, Kaschnitz, Kästner, Mann, Fried, Stadler... Helden meiner Sprache. Ganz ohne Neid.

  • HS
    Heidi Seidl

    Also, ich bin noch nicht tot, falle also in die Kategorie rüstig.

    Mich beschäftigt was ganz anderes. Wunderlich, dass die Autorin das nicht erwähnt hat. Die Akademie vergibt zum ersten Mal 50.000€. Das heißt auch, immer wieder 50.000€. Wer kann so etwas beschließen? Eine Einrichtung, die mit 600.000€ von Bund und Ländern bezuschusst wird. Der Preis wird von der Stadt Darmstadt und dem Land Hessen bezahlt. Diese Schriftsteller haben doch allesamt ausgesorgt. Wofür wird das Geld verwendet?

    Es ist doch unterm Strich Steuergeld, mein Geld. Der Herr Delius ist sicher "an honorable man" (schon allein,

    dass er Berlusconi in seiner Dankesrede als Verbrecher dargestellt hat, hat mir gut gefallen - ich bin durch meinen Beruf seit Jahren mit Italien eng verbunden-, auch der Begriff Bio-Biedermeier (da muss man erst mal drauf kommen). Ich habe nichts von ihm gelesen und werde das in Zukunft auch nicht tun. Büchner-Preis 50.000€- NEIN, geht gar nicht. Irgendwo ist mal Schluss. Mit der Geld-Tyrannei. Die Akademie leidet unter Geldmangel, liebäugelt mit anderen Standorten

    und schmeißt trotzdem mit Geld um sich. Mit meinem Geld.

    Gruß

    Heidi Seidl

  • J
    Jörn

    Mit so einem Artikel holt sich die taz LeserInnen zurück.....

  • R
    reblek

    Sehr amüsanter und aufschlussreicher Text. Vielen herzlichen Dank. Stadler und Mosebach fand ich ausgesprochen langweilig.

  • PM
    Peter Mueller

    Die Akademie kann doch ihren Preis vergeben wie sie mag. Ich verstehe die Kritik nicht, es sei denn die Autorin hätte auch gerne mal den Büchnerpreis gewonnen (aber wofür...) und fühlt sich übergangen. Sie scheint sich ja darauf spezialisiert zu haben, darüber zu schreiben, wie man Literaturpreise bekommt. Ein eigentümliches Genre.

     

    Die Liste der 60 bisherigen Preistrager besteht aus bedeutenden Literaten. Ich persönlich halte zwar nicht viel von Handtke und Johnson, aber, um es mit Lichtenberg zu sagen "Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?", will sagen, meine Abneigung liegt möglicherweise an meinem Unverständnis und nicht an den beiden genannten Autoren. Darüberhinaus kann man nicht sagen, daß der Büchnerpreis nur an bequeme Autoren vergeben wurde (z. B. Kästner und Biermann). Sicher gibt es andere Autoren, die den Preis auch verdient hätten und natürlich könnte die Vergabe etwas transparenter sein, aber die getroffene Wahl war nie wirklich schlecht und, wie ich eingangs schrieb, die können das doch machen, wie sie es am besten finden. Frau Leinen kann ja ihren eigenen Literaturpreis vergeben, der nur an unbekannte, junge Nichtautorinnen mit Migrationshintergrund geht. Das ist Fortschritt.

  • SB
    Siegfried Bosch

    Was für ein sexistischer Artikel! Wie kommt die Autorin dazu anzunehmen, dass die männlichen Preisträger den Preis auch ihrem Geschlecht und nicht nur ihren Leistungen (welche bei Literatur zugegebenermaßen nicht wirklich meßbar sind) verdanken? Das ist lediglich eine absolut unbewiesene Unterstellung (und für die TAZ sehr passend).

  • A
    Andrea

    Was will die Autorin eigentlich? Der Büchner-Preis ist bewusst kein Förderpreis junger hoffnungsvoller Talente, sondern die Adelung des bisherigen Schreibens (Walser, Kronauer, Müller), manchmal auch dessen Vorwegnahme (Handke, Grünbein). Die Entscheidung kann mutig sein (Benn, Celan, Kappacher, demnächst vielleicht Zschokke) oder auch fällig (Delius, demnächst von Düffel oder Sulzer), leicht ist sie niemals. Das gilt auch für den Nobelpreis, den weder Proust noch Joyce noch Musil je bekommen haben. Aber schön, dass es den ewigen Grund zum Beleidigtsein für die Autorin noch gibt: es werden zuwenige Frauen ausgezeichnet, junge allzumal. Soll es wirklich Charlotte Roche sein? Gottlob ist der Büchner-Preis noch ein Literaturpreis. Und der wurde und wird für ein unverwechselbares Deutsch verliehen - an Bachmann, Strauß und sicher noch an Lewitscharoff.

  • E
    erikius

    Je länger der Text wurde desto langweiliger... Ist die Autorin enttäuscht nie selber Pristräger geworden zu sein?