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Männer nach links, Frauen nach rechts

■ Indizien zum Massenmord von Srebrenica verdichten sich. Niederländische Blauhelme haben ihr Schweigen gebrochen

Der erste, der das Schweigen über die grausamen Ereignisse in Srebrenica wenige Tage nach dem Fall der UNO-Schutzzone brach, war der niederländische Entwicklungshilfeminister Pronk. Er hatte mit Vertriebenen aus Srebrenica gesprochen. Sein Resümee lautete: „Wir dürfen uns nicht durch Menschen zum Narren halten lassen, die sagen, daß noch überhaupt nichts bestätigt sei. Es sind dort Tausende Menschen ermordet worden. Wir wußten, daß so etwas passieren könnte. Die Serben haben dies mehrere Male getan.“

Nach der Darstellung Pronks hatten „spezielle serbische Truppen“ die Morde verübt. Auch nach einem Bericht des österreichischen Fernsehens unterlag die „Säuberungsaktion“ nicht der bosnisch- serbischen Armee, sondern einer 4.000 Mann starken Spezialtruppe aus Scharfschützen, die von Belgrad geleitet und trainiert worden war.

In den Niederlanden geriet die Rolle der eigenen Blauhelme schnell ins Zwielicht. Bereits Ende Juli hatte eine Pressekonferenz des Kommandanten des holländischen Kontingents in Srebrenica, Ton Karremans, Befremden ausgelöst. Der Oberst, der Ratko Mladić auf die Eroberung Srebrenicas angestoßen hatte, bewunderte die militärischen „Leistungen“ des serbischen Generals.

Schon bald jedoch gab es immer mehr Hinweise auf einen Massenmord in Srebrenica. Gemäß einem BBC-Bericht von Mitte September haben UNO-Vertreter Filmmaterial zerstört, auf dem zu sehen gewesen sei, daß die UNO-Soldaten ein Massaker an Muslimen zugelassen hätten. Die Passivität der Blauhelme würde aber auch durch Bilder eines serbischen Kameramanns belegt. Sie zeigten, daß die UNO-Soldaten zugesehen hätten, wie die Serben nach „Nazi-Manier“ die Bevölkerung von Srebrenica „aussortiert“ hätten, indem sie befahlen: „Männer nach links, Frauen nach rechts.“

In den Niederlanden hatte das NRC-Handelsblad Ende August erstmals Aussagen niederländischer UN-Soldaten veröffentlicht, die die ihnen vom Verteidigungsministerium auferlegte Schweigepflicht gebrochen hatten. Der Sanitäter Schellens sagte aus, er habe in einem Bus am 15. Juli auf der Fahrt von Milici nach Bratunać auf das „Wegräumen von ein paar hundert Leichen in zivilen Kleidern, die in schlecht geordneten Reihen entlang der Straße lagen“, warten müssen. Ein Videoband vom 13. Juli, welches dem NRC- Handelsblad vorliegt, zeigt Hunderte von Muslimen mit nackten Oberkörpern auf einem Feld bei Konjevic Polje. Der Ort liegt nahe der Straße, welche die Blauhelme zwei Tage später sahen. US-Drohnen machten Aufnahmen von Grabungsarbeiten in den Wiesen entlang dieser Straße. Es handelt sich hierbei um jene vermutlich 3.000 Muslime, welche nach dem Fall von Srebrenica verschwunden sind und nach Aussage von drei überlebenden Zeugen von serbische Erschießungskommandos ermordet wurden. Johannes Vollmer

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